Im Gegensatz zu Moria bleibt in Mavrovouni allerdings vieles im Verborgenen, da so gut wie keinem Außenstehenden mehr Eintritt in das Lager gewährt wird.
Vor dem Lager selbst trauen sich viele, die im humanitären Bereich arbeiten, nicht aufzuhalten, da sie Angst vor einer möglichen Verhaftung haben. Schon länger versucht die griechische Regierung Helfende zu kriminalisieren und hat beispielsweise an der Schwimmerin Sara Mardini und weiteren Helfer:innen aus ihrem Umfeld ein Exempel statuiert, dessen Abschreckungswirkung sich durchaus verfangen hat. Aktivist:innen, die uns an die Orte der Migration auf Lesvos führten, hatten Sorge, direkt vor dem Lager anzuhalten, da sie Angst vor einer möglichen Verhaftung hatten. Auch ich hatte im Vorfeld versucht, für die Recherchen der Ausstellung als Mitarbeiterin eines staatlichen Museums in das Lager Eintritt zu bekommen, das immerhin mit EU-Geldern finanziert wird. Die Anfrage wurde über Monate verschleppt und versickerte dann im Schweigen der Behörden.
Menschen, die dort als Geflüchtete untergebracht waren oder dort als Helfer:innen gearbeitet hatten, gaben uns einen Eindruck der Zustände im Lager. So hat sich wenig verändert im Lager [Bericht: DIE ZEIT, Dezember 2020], seit es 2020 entstand. Bis heute gibt es kein fließendes Wasser im Mavrouvoni, Strom wird über Generatoren erzeugt, die unzuverlässig funktionieren. Nachts werden willkürlich Durchsuchungen ausgeführt, die Bewohner:innen werden geweckt und ihre fast leeren Unterkünfte durchsucht, sie besitzen ja so gut wie nichts. Wonach bei diesen Durchsuchungen gesucht wurde, wusste unser Interviewpartner auch nicht.
Die Menschen leben nach wie vor in Zelten, die den klimatischen Bedingungen nicht standhalten. Im Winter ist es viel zu kalt, im Sommer heizen sich die Unterkünfte derart auf, dass man sich innen nicht aufhalten kann.
Die griechische Regierung hatte im Mai dieses Jahres, kurz vor den Wahlen, ein Gesetz verabschiedet, dass die Lage der geflüchteten Menschen noch weiter verschärft: So werden Personen, die einen positiven oder einen negativen Bescheid über ihr Asylgesuch erhalten haben, von der Lebensmittelversorgung ausgeschlossen. Nur noch Menschen im laufenden Verfahren haben in den Lagern ein Anrecht auf Essen und Trinken. Faktisch bedeutet das, dass sowohl abgelehnte als auch bewilligte Geflüchtete, auf den griechischen Inseln festsitzen, da sie kein Geld haben, um dort wegzukommen, und nun zusätzlich auch nicht wissen, wo sie ihre nächste Mahlzeit erhalten sollen. Die wenigen NGOs, die noch auf der Insel verblieben sind, haben deshalb einen Notfallplan auf die Beine gestellt, um wenigstens Wasser und eine Mahlzeit am Tag einem Teil der Menschen zu ermöglichen. So wechseln sich der Verein Doro Blancke, die Organisation Leave no one behind, die Hilfsorganisation Europe Cares und die Gruppe Siniparxi mit der Lebensmittelversorgung ab. Im Parea Center Lesbos, ein Ort, an dem sich mehrere NGOs zusammengetan haben, können die Menschen nun Nahrung erhalten, neben vielen anderen Angeboten.
Bei unserem Besuch bei Doro Blancke zuhause als auch im Parea Lesvos wurde eindringlich klar, dass diese Hilfsorganisationen selbst viel zu wenig Geld haben, um dauerhaft alles abzudecken. Somit weiß keiner so genau, wie es um die Essensversorgung in Zukunft aussehen wird.