Skip to main content
Di, 05.03.2019
Lebhafte Diskussion im Foyer|

Sportlicher Auftakt

Sportlich sind wir ins Jahr 2019 gestartet: An zwei spannenden Abenden durften wir Sportler und Sportakteure begrüßen, die klar Stellung bezogen und aufgrund ihrer eigenen Biografien authentisch und sehr persönlich argumentierten.

Am 7. Februar berichteten der ehemaliger Göttinger Basketballstar Wilbert Olinde und der Kasseler Fußballspieler Sergej Evljuskin von ihren Erfahrungen bei der Ankunft in Deutschland und ihrer ganz persönlichen Integration: Der junge Olinde setzt sich ab 1977 in Göttingen mit Stereotypen über die USA auseinander und macht selbst einen Kulturwandel durch. Während  "Jimmy" Hartwig oder Erwin Kostedde aufgrund ihrer Hautfarbe im Fußballgeschäft besonders von gegnerischen Fans harten Ressentiments ausgesetzt sind und Beschimpfungen aushalten müssen, bleibt Wilbert Olinde dies in Göttingen erspart. Nur ein- oder zweimal gibt es rassistische Schmierereien an der Godehardhalle. Bis heute jedoch passiert es Olinde, der seit 1983 die deutsche Staatsbürgerschaft innehat, dass er im Alltag auf Englisch angesprochen wird.

Sergej Evljuskin kommt 1990 als Zweijähriger mit seiner Familie aus Kirgisien über Friedland nach Braunschweig, genau zu der Zeit, als Deutschland Fußballweltmeister wurde. Ausgelassene Stimmung, Autokorsos und die herzliche Atmosphäre beindrucken die Familie. Von Sergej zu Siegfried lassen ihn seine Eltern bei den Behörden deshalb trotzdem nicht umbenennen.

2006 ist Evljuskin Kapitän der deutschen U 17-Nationalmannschaft, zweimal wird ihm die Fritz-Walter-Medaille in Gold verliehen, er besitzt Charakterstärke und Führungsqualitäten. Sein Weg führt jedoch nicht automatisch weiter in die Bundesliga und zum Weltmeistertitel in der Nationalmannschaft, wenige Jahre später kämpft er um Punkte und Tore in der dritten und vierten Liga. – Als Fußballer gescheitert? Das kommt auf die eigenen Maßstäbe an. Bedeutet das Erreichen der eigenen Träume auch gleichzeitig persönliches Glück? Ellbogen und Aggressivität im Durchsetzen eigener Ziele entsprechen nicht Evljuskins Charakter, er ist bescheiden und bodenständig, ein starkes Team ist ihm am wichtigsten. Seine herausragenden Leistungen im Fußball haben es ihm immer leicht gemacht, in jeder Mannschaft erneut akzeptiert zu werden, seinen Platz zu finden. Aber erst seine Qualitäten als Teamspieler und sein Blick für die anderen haben zu mehr geführt als nur zu sportlichem Erfolg.

Als dritter Podiumsgast nahm Andreas Friedrichs Stellung. Als Bürgermeister der Gemeinde Friedland, in der sich das Grenzdurchgangslager befindet, weiß er aus erster Hand um die Bedeutung des Sports für die Integration. „Menschen haben einen Bewegungsdrang, und je mehr Menschen im Lager sind, desto mehr ist der Sportplatz in Friedland frequentiert“, sagt er. Sportvereine können eine ganz wesentliche Rolle bei der Integration von Neubürgerinnen und Neubürgern einnehmen. Gerade kleinere Vereine benötigen aber Unterstützung und Förderung bei dieser Aufgabe.

Ein Auswärtsspiel erlebte das Museum Friedland in der VHS Region Kassel am 14. Februar. Das Thema lautete „Zwischen Hessenliga und Premier League – Wie kann Integration durch Sport gelingen?“. Zu Gast waren der Autor und Journalist Dietrich Schulze-Marmeling („Der Fall Özil“) und erneut Sergej Evljuskin, der als Spieler des KSV Hessen Kassel dieses Mal wiederum ein Heimspiel hatte. Diskutiert wurde mit dem Kasseler Publikum über Rassismus und Integration im Profifußball. Evljuskin, selbst ehemaliger Teamkollege von Mesut Özil, konnte das Thema aus Spielersicht beleuchten, während Dietrich Schulze-Marmeling als erfahrener Kenner der Fußballszene die öffentlichen Mechanismen und die Rolle des DFB im „Fall Özil“ aus dem Sommer 2018 kritisch analysierte. Wir bedanken uns herzlich bei der VHS Region Kassel für die Gastfreundschaft und einen sehr schönen Abend! Vielen Dank auch  an unsere Gäste für ihre Offenheit, an unsere Besucher*innen für ihre Diskussionsfreude!

Dr. Steffen Wiegmann