Do, 24.10.2024

Das Lied von der Friedlandglocke und die Friedland-Sonate Neue Klänge für die Sammlung

Gleich zwei originale Tonaufnahmen bereichern seit Kurzem die Sammlung des Museums Friedland: das Lied von der Friedlandglocke (1955) und die Friedland-Sonate (1976).

Die Sängerin Gertrud Tuboly-Österheld, damals 14jährige Schülerin aus Friedland, übergab dem Museum die originale Schallplatte mit der Aufnahme des Liedes von 1955. Wie es zu der Aufnahme kam, erzählte Dankmar Venus, der ehemalige Organist der Inneren Mission in Friedland, in einem Interview von 2012:

„Es gab während meiner Zeit hier einen Lagerangestellten, Herrn Friedrich Hirsch. (…) Ich habe mich sehr oft mit ihm unterhalten und viel von ihm gelernt. (…) Und er hatte die Lagerchronik geschrieben. Und eines Tages muss er auf den Gedanken gekommen sein "Diese Friedland-Glocke, der will ich ein Gedicht widmen." Und er schrieb dann die Friedland-Glocke, ich glaube die erste Strophe begann "Wo die schlichten Hütten stehen im stillen Grün. (…)" Es kommen da noch drei weitere Strophen. Und dieses Lied gefiel der Lagerleitung so gut, dieses Gedicht, dass sie einen Professor Dehne aus Göttingen beauftragten das zu vertonen. Und er vertonte es für seinen großen, er hatte einen Ostland-Chor. Das wurde auch hier aufgeführt, aber der Nachteil war bei diesem großen Chor, verstand man überhaupt nichts vom Text. Und deshalb kam Herr Hirsch auf mich zu, der Autor des Gedichtes und sagte "Können Sie nicht ein einstimmiges Lied schreiben, was vielleicht eine Sängerin von Ihnen dann singt? Mit Klavierbegleitung, so dass man etwas mehr vom Text verstehen kann." Und das habe ich dann gemacht. Meine Schwester spielte die Klavierbegleitung, meinen Bruder habe ich noch eine Cello-Stimme dazugeschrieben und eine Sängerin, die eine wunderschöne Stimme hatte, eine Schülerin von mir, 14 Jahre alt damals, hat das Lied dann hier gesungen. Es wurde vom Nordwestdeutschen Rundfunk, wie es damals noch hieß, aufgenommen, auf eine Schallplatte gepresst und ich glaube es ist weit über tausend Mal hier tagsüber abgespielt worden. Ganz oft, wenn ich vorbeikam, klang dieses Lied über das Lager.“

Während das Lied „Die Friedlandglocke“ eine Komposition für die ankommenden entlassenen Kriegsgefangenen und Zivilverschleppten war, ist die „Friedland-Sonate“ ein musikalisches Werk, in dem der entlassene Kriegsgefangene Wolfgang Harald Preuss-Milz (1925-1990) seine Erinnerungen an die Gefangenschaft künstlerisch verarbeitet. Mit 19 Jahren geriet er in russische Kriegsgefangenschaft und wurde 1950 über Friedland entlassen. Später studierte er Malerei und Grafik in Bremen und Düsseldorf und arbeitete als Illustrator für unterschiedliche Zeitschriften, bis er sich überwiegend als freischaffender Maler der Kunst widmete. Seine Erlebnisse in russischen Kriegsgefangenenlagern haben sein Schaffen nachhaltig geprägt und fließen auch in sein musikalisches Wirken ein. Die „Friedland-Sonate“, ursprünglich Karabas betitelt, entstand 1976 als eine Improvisation für elektronische Orgel: Der erste von sechs Sätzen ist betitelt: „Ich schweige wie ein Stein, in meinem Innern aber schreit es am Tage und in der Nacht.“ Die ersten fünf Sätzen sind den Erlebnissen im Gefangenenlager gewidmet, der sechste wirkt wie eine Erlösung: „Und mein Herz jubelt wie eine Lerche“ als Reaktion auf die Entlassung und Ankunft in Friedland.

Hörprobe Friedlandlied

 

 

 

„Die Musik passt gut zu dem Programm, das er der Sonate beigefügt hat, so dass insgesamt von einem lautmalerischen Charakter der Musik gesprochen werden kann,“ kommentiert die Musikhistorikerin Inna Klause. „Oft arbeitet der Komponist mit Brüchen, die er vor allem über die Dynamik erreicht: entweder durch das Anwachsen der Dynamik über längere Strecken und abruptes Zurücksinken ins Piano oder durch das Crescendo auf einem Klang und sein abruptes Abbrechen. Auffällig ist, dass der stetige Klangfluss nur selten durch Pausen unterbrochen wird, nur der sechste Satz ist klar von den anderen abgesetzt. Im fünften Satz klart die Stimmung auf, es sind längere melodische Bögen zu hören und stilistisch handelt es sich um eine Anlehnung an barocke Choralvorspiele,“ erläutert Inna Klause weiter.

Beide Kompositionen sind zeithistorische Dokumente: Beide zeugen von einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, jedes auf seine Weise: das Lied von der Friedlandglocke endet als ein Ausdruck von Hoffnung mit den Worten „Friedlandglocke klinge, bis in Ost und West Hand zu Hand im Ringe schließt das Friedensfest.“ Dagegen ist Wolfgang Harald Preuss-Milz‘ Komposition eine Warnung vor Terror und Krieg und Ausdruck seiner Enttäuschung, dass „Terror und Folter nicht ausgelöscht sind.“

Hörprobe Friedlandsonate

Do, 19.09.2024