Do, 14.12.2017
Fest im Museum Friedland|

Ma'amoul, Kosuli und Vanillekipferl

Von unseren Ma’amoul, Kosuli und Vanillekipferl sind nur ein paar Krümel übriggeblieben. Der Sänger Alexej Orslet aus Göttingen sorgte für eine gute Mischung aus ruhigeren und tanzbaren russischen Pop-Songs. Die insgesamt 400 Gäste hatten Spaß im Foyer, das wieder einmal zur Tanzfläche umfunktioniert wurde, und bei den Sonderführungen im Museum zum Thema Weihnachten.

Es waren viele Besucher*innen aus der Umgebung gekommen, unter ihnen auch Bürgermeister Andreas Friedrichs sowie zahlreiche Bewohner*innen aus dem Grenzdurchgangslager –  vor allem Spätaussiedler*innen und Kontingentflüchtlinge aus Eritrea, Somalia, Syrien und dem Sudan. Die hochschwangere Sevin aus Syrien bedauerte, dass sie schon in den nächsten Tagen nach Bremen verteilt wird. Sie hätte gerne in Friedland entbunden und sich ein ähnliches Fest für ihr Baby gewünscht.

Viele der Gäste im Museum sahen an dem Abend zum ersten Mal in ihrem Leben Schnee. Die weißen Flocken sorgten zusammen mit Glühwein und alkoholfreiem Punsch für vorweihnachtliche Stimmung. Zum Glück gab es nicht zu viel Schnee und auch nicht zu viel Wind, so dass das beheizte Zelt neben dem Museum stehenblieb. Dank der Bastelarbeiten, die der Friedländer Kindergarten netterweise vorbeigebracht hatte, konnten wir auch drinnen schön dekorieren.

Eva Völker

Do, 07.12.2017
Das Foyer war voll besetzt|

Museum Friedland präsentiert Dokumentarfilm über den Gulag

Der Gulag, das System der Straf- und Arbeitslager in der UdSSR, bezeichnet ein grausames Kapitel der sowjetischen Geschichte. Von 1930 bis 1953 starben mehr als 2,7 Millionen Menschen in den Lagern. Was wenig bekannt ist: Es gibt einen direkten Bezug zur deutschen Geschichte und zu Friedland: Kriegsgefangene sowie Zivilpersonen aus dem sowjetischen Machtbereich wurden in die UdSSR verschleppt und im Lagersystem des Gulag zu Zwangsarbeit verurteilt. Diejenigen, die überlebten, wurden nach Stalins Tod rehabilitiert und kamen über Friedland in die Bundesrepublik.

In der DDR wurde der der Gulag tabuisiert, auch in der Bundesrepublik war er seit den 1960er Jahren weitgehend aus dem öffentlichen Bewusstsein ausgeblendet.

Grund genug für das Museum Friedland den Film „Die letzten Zeugen des Gulag“ des Göttinger Regisseurs Dean Cáceres und seines Kollegen Lars Henze zu präsentieren. Der Film zeigt am Beispiel verschiedener Künstler, wie ihnen die Kunst in Form von Musik, Theater, Malerei und Literatur half, die schrecklichen Lagerbedingungen zu überleben.  „Für mich sind die entstandenen Werke neben den Überlebenden selbst ebenfalls Zeugen des Gulag“, erläutert der Filmemacher Dean Cáceres.

Dr. Steffen Wiegmann, wissenschaftlicher Leiter des Museums, moderierte das Gespräch mit Cáceres.  Der Regisseur und Filmemacher erzählte von seinen persönlichen Eindrücken und Schwierigkeiten während der Dreharbeiten in Russland. Er sprach davon, dass Stalins Gewaltherrschaft und der Gluag aktuell in der russischen Gesellschaft bislang wenig aufgearbeitet wurden. Einzig die Menschenrechtsorganisation „Memorial“ ist darum bemüht. Ein ehemaliger Psychiater im Publikum machte eine Anmerkung dazu, wie Betroffene die schrecklichen Erlebnisse individuell verarbeiteten. Er sprach davon, dass Traumata oft ausgeblendet würden, was für den einzelnen durchaus eine sinnvolle Strategie sein könne. Der Generalmusikdirektor des Göttinger Symphonieorchesters, der sich sehr für das musikalische Werk eines Gulag-Opfers, des Komponisten Alexander Weprik interessiert, mahnte an, dieses Kapitel der Geschichte kollektiv zu erinnern und aufzuarbeiten. „Dies ist gerade angesichts der populistischen Tendenzen, die aktuell in vielen Ländern zu beobachten sind, sehr wichtig“, sagte Christoph Mathias Mueller, der sich im kommenden Jahr intensiv mit dem Werk Alexander Wepriks auseinandersetzen will, um es einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Das Foyer war bis auf den letzten Platz besetzt. Unter den knapp 50 Gästen waren auch einige Zeitzeug*innen und Angehörige wie etwa die Frau des ehemaligen Gulag-Insassen Siegfried Jenkner. 

Umrahmt wurde die Veranstaltung durch vier Bilder eines Gulag-Überlebenden aus der Region, die erst kürzlich dem Museum Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt worden waren. Sie stammen von Herrmann Günter aus Jühnde, der 1949 aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft über Friedland nachhause kam. Das Museum Friedland freut sich über die Gelegenheit, einen kleinen Ausschnitt aus seiner Sammlung zu präsentieren. „Die Malereien bestechen durch ihre ganz eigene Bildsprache, die trotz des ernsten Themas einen feinen Humor durchscheinen lässt“, so Steffen Wiegmann. „Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir sie zu einem späteren Zeitpunkt einem breiten Publikum in einer Sonderausstellung zu zeigen.“

Genia Peters

Fr, 01.12.2017
Noch auf Geschenkesuche?|

Wir haben ein paar Geschenkideen für Sie...

Zum Beispiel das Booklet mit den wichtigsten Informationen zur Geschichte des Grenzdurchgangslagers und schönen Grafiken (2,- €), einen Gutschein für einen Museumsbesuch (5,- € pro Person, ermäßigt 3,- €)
oder den Begleitband zur Ausstellung (24,90 €).

Näheres zum Begleitband: Fluchtpunkt Friedland. Über das Grenzdurchgangslager, 1945 bis heute, hrsg. von Joachim Baur und Lorraine Bluche, Göttingen (Wallstein Verlag), April 2017, 232 Seiten, ca. 130 überwiegend farbige Abbildungen, gebunden, € 24,90, ISBN 978-3-8353-3012-2

All das gibt es direkt bei uns im Museum oder auf Bestellung.

 

 

Mo, 27.11.2017
Museum Friedland präsentiert sich auf Konferenz in Belgien|

Open Heart Surgery

Vom 9. bis 12. November versammelten sich über 200 Museumsfachleute aus ganz Europa in der belgischen Stadt Gent. Anlass war die 25. Jahrestagung des Network of European Museum Organisations (NEMO). Das Thema lautete: OPEN HEART SURGERY – The Value of Museum Collections. Aus den verschiedensten Blickwinkeln wurde dabei über den Wert und die Werte von Museen und ihren Sammlungen gesprochen.

Das Museum Friedland war aktiv mit dabei. Ich war als Kurator eingeladen, im ersten Diskussionspanel der Tagung, das sich dem sozialen und politischen Auftrag heutiger Museen widmete, die Konzeption des Museums Friedland vorzustellen. Ausgangspunkt war die ungewöhnliche Lage des Museums in direkter Nachbarschaft einer aktiven Erstaufnahmeeinrichtung. Im Mittelpunkt standen dann die verschiedenen Ansätze und Ideen der Zusammenarbeit mit Geflüchteten und Spätaussiedler*innen, die sich in den letzten Monaten daraus entwickelt haben. 

Was für diejenigen, die das Museum und Grenzdurchgangslager Friedland kennen, vielleicht inzwischen ganz normal erscheint, war viele Teilnehmer*innen der Tagung neu und überraschend. Das Interesse war jedenfalls sehr groß, die Resonanz ausgesprochen positiv. Ich würde mich nicht wundern, wenn der eine oder die andere der Kolleg*innen aus Europa dem Museum in den nächsten Monaten einen Besuch abstattet.

Dr. Joachim Baur

Mo, 20.11.2017
Schüler*innen im Gespräch mit Pastor Thomas Harms|

Neues Format für Schulklassen

Schulklassen und Oberstufenkurse gehören für uns im Museum Friedland mittlerweile zum Alltag. Und doch gab es beim Besuch von Schüler*innen der Käthe-Kollwitz-Schule aus Hannover neulich eine kleine Premiere. Die Jungen und Mädchen der zehnten Klasse waren die ersten, die nicht die Dauerausstellung erkundeten, sondern in kleineren Gruppen Interviews mit einigen Akteuren im Grenzdurchgangslager führen konnten – z. B. mit Pastor Harms von der Inneren Diakonie.

Fünf Schüler*innen trafen sich mit ihm in der kleinen Holzkapelle mitten im Lager – einem Raum der Begegnung für alle Bewohner*innen des Grenzdurchgangslagers, so Pastor Harms, ganz gleich welcher Religion sie angehören, ob sie Spätaussiedler*innen aus ehemaligen Staaten der Sowjetunion sind, Asylbewerber*innen aus Afghanistan, die nach Deutschland geflohen sind oder Kontingentflüchtlinge aus Syrien. 

Eine andere Schülerin wollte von Pastor Harms wissen, welche Schicksale ihn in seiner täglichen Arbeit besonders berührt hätten. Thomas Harms musste nicht lange nachdenken und berichtete von einer jungen Frau aus dem Krisenherd Südsudan, wo sie vergewaltigt worden war und nach Deutschland floh. Sie stellte einen Asylantrag, verschwieg der Behörde allerdings die Vergewaltigung - aus Scham gegenüber dem Sachbearbeiter. Der Asylantrag wurde abgelehnt mit der Begründung, sie sei persönlich keiner Gefahr ausgesetzt gewesen.

In ihrer Verzweiflung vertraute sich die junge Frau dann Pastor Harms an, der ein zweites Gespräch beim Amt erwirkte, indem sie von den Übergriffen in ihrem Herkunftsland berichtete. Daraufhin wurde ihr Asylantrag angenommen.

Michelle-Seline wiederum erzählte, dass ihre Eltern vor ihrer Geburt als Spätaussiedler aus Russland nach Deutschland gekommen seien, ihre Mutter sei damals in Friedland angekommen. Wie viele andere Deutschstämmige hatten ihre Eltern in Russland verheimlichen müssen, dass sie Weihnachten nach christlicher Tradition feierten. Pastor Harms erläuterte, dass viele Russlanddeutsche zu Beginn des Zweiten Weltkriegs nach Sibirien deportiert wurden, weil Stalin befürchtete, sie könnten sich mit Hitler gegen ihn verbünden. Darüber hatten die Schüler*innen im Geschichtsunterricht zuvor nichts gehört.

Entsprechend positiv war das Fazit der Schüler*innen: „Ich freue mich, dass ich hier über meine persönliche Geschichte sprechen konnte und dabei Neues erfahren habe, zum Beispiel über die Zwangsumsiedlungen nach Sibirien“, sagt Michelle-Seline. Auch die Geschichte über die Scham der Südsudanesin hatte alle berührt. Die Schüler*innen hatten sichtlich Spaß daran, auf eigene Faust Gespräche mit den Menschen zu führen, die im Lager arbeiten. Auch bei den Lehrer*innen kam das auf Selbsterkundung setzende Workshop-Format sehr gut an. Und dem Museumsteam hat die Arbeit mit den aufgeweckten Schüler*innen viel Spaß gemacht.

Eva Völker

Do, 19.10.2017
"Sie kam aus Mariupol" von Natascha Wodin|

Berührende Geschichte einer Spurensuche

Natascha Wodin kann selbst kaum glauben, was sie bei der Suche nach den Spuren ihrer früh verstorbenen Mutter herausgefunden hat. „Ich habe das noch gar nicht alles begriffen“, sagt die 71-Jährige, der das Staunen ins Gesicht geschrieben steht. Was sie zuvor über ihre Mutter gewusst hatte, war herzlich wenig: Dass sie als junge Frau im Zweiten Weltkrieg aus dem ukrainischen Mariupol als Zwangsarbeiterin von den Nazis nach Deutschland deportiert worden war. Und dass sie 1956 in einer fränkischen Kleinstadt Selbstmord begangen hatte. Da war Natascha Wodin gerade mal 10 Jahre alt.

Im Laufe ihres Lebens hatte die Schriftstellerin immer wieder versucht, eine Spur von ihrer Mutter zu finden, doch wieder und wieder ohne Erfolg. Eigentlich hatte sie es schon aufgegeben, als sie vor vier Jahren durch Zufall bei einer russischen Internet-Suchmaschine fündig wurde. So beginnt Natascha Wodins Buch „Sie kam aus Mariupol“ und so beginnt auch die Lesung, die der Göttinger Literaturherbst in Kooperation mit dem Museum Friedland gestern Abend veranstaltet hat. Natascha Wodin liest mit leiser, intimer Stimme, sie spricht mehr zu sich selbst als zu den knapp 300 Menschen im Saal. Die hören gebannt zu, es herrscht eine konzentrierte Stille.

Ihre Mutter sei für sie „nur noch ein Schemen, mehr ein Gefühl“ gewesen als eine Erinnerung. Wenn sie an ihre Mutter denkt, blickt sie in deren Augen und sieht ein "bodenloses Entsetzen". Ihre Mutter wurde in den russischen Bürgerkrieg hineingeboren, erlebte die Gewalt der Diktaturen von Stalin und Hitler. Diese Gewalt sei nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs für viele Zwangsarbeiter*innen aus der Sowjetunion, die wie Wodins Mutter in Deutschland blieben, aber keinesfalls vorbei gewesen, merkt der Kurator des Museums Friedland Dr. Joachim Baur an, der die Lesung moderiert. Er erinnert daran, dass die rassistische Propaganda der Nazis gegen „die Russen“ noch lange nach Kriegsende im Bewusstsein der Öffentlichkeit nachgewirkt habe. Natascha Wodin erzählt, wie sie als Kind beschimpft, verprügelt, angefeindet wurde.

Insgesamt habe das Leiden der ehemaligen Zwangsarbeiter*innen in Deutschland bislang von offizieller Seite wenig Beachtung gefunden, sagt Natascha Wodin. Das könnte sich durch ihr berührendes, vielfach preisgekröntes Buch ändern. Durch dieses Buch habe sich ihr eigenes Leben sehr stark gewandelt, sagt die Schriftstellerin: Sie ist ständig auf Lesereisen, gibt Interviews, viele Menschen schreiben ihr. Auch das scheint die 71-Jährige noch gar nicht richtig glauben zu können.

Eva Völker

Sie kam aus Mariupol, Natascha Wodin, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt Verlag, 3/2017, 357 S., € 19,95ISBN 978 3 498 07389 3

Mo, 02.10.2017
Katharina Martin kam als Spätaussiedlerin nach Friedland|

Zeitreise in die Kindheit

„Es war irgendwie unwirklich“, sagt Katharina Martin-Virolainen. Die junge Frau mit den blonden Haaren und dem offenen Blick ist nach langer Zeit wieder nach Friedland zurückgekehrt. „Ob es Schicksal, Zufall oder perfekte Planung war, dass ich heute, genau 20 Jahre später wieder hier stehe, das kann ich auch nicht so genau sagen, von allem wohl ein bisschen“, erzählt sie.

Als 11-jähriges Mädchen war sie mit ihren Eltern und ihrem Bruder über das Grenzdurchgangslager aus Karelien im Nordwesten Russlands als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen. Ihr Vater, ein gebürtiger Kasache, stellte als Russlanddeutscher einen Ausreiseantrag für seine Familie. Vier Jahre mussten sie warten, ehe sie Russland verlassen durften. Doch die Ausreise verlief nicht glatt: Den Flug, den ihr Vater gebucht hatte, durfte die Familie nicht antreten: Das Ticket war für den 17.8. ausgestellt, das Visum aber erst ab dem 18.8. gültig. Kurzentschlossen besorgte der Vater Zugfahrkarten, die Familie machte sich auf eine dreitägige Bahnreise, die sie durch die Ukraine und Polen führte und schließlich in Friedland endete.

All die Jahre hatte Katharina Martin-Virolainen nicht mehr an Friedland und ihre Ankunft gedacht. Jetzt, ist sie wieder hier, um ihrem Mann und ihren Kindern, diesen Ort zu zeigen. Beim Besuch im Museum Friedland kommen viele Erinnerungen zurück, die Ausstellung beeindruckt die junge Frau. Beim anschließenden Spaziergang durch den Ort, kommt sie am Supermarkt vorbei. Der ist auch nach 20 Jahren noch da. Als Kind hatte sie sich dort eine Zahnbürste aussuchen dürfen. Das habe sie völlig überfordert, erzählt sie. Es war ihr erster Besuch in einem Supermarkt im Westen, allein die vielen verschiedenen Zahnbürsten in allen Farben und Formen, die endlosen Regale mit den bunten Produkten, haben sie völlig überfordert. Heute erscheint ihr der Dorfladen klein und beschaulich. Zur Erinnerung kauft sie sich wieder eine Zahnbürste.

Inzwischen lebt Katharina Martin-Virolainen in Baden-Württemberg, wo sie in der Jugendförderung tätig ist. Dabei hat sie viel mit russlanddeutschen und geflüchteten jungen Menschen zu tun. Die Jugendlichen liegen ihr am Herzen, ganz gleich, woher sie kommen. Sie alle hätten gemeinsam, dass sie in einem neuen Land ankommen und ein neues Leben anfangen müssten. Da sie selbst diese Erfahrung gemacht hat, kann sie sich auch gut in die Geflüchteten einfühlen, die aktuell nach Deutschland kommen. Abschied, Ankunft, Neubeginn – dieser Dreiklang, der sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung im Museum Friedland zieht, hat auch Katharina Martin-Virolainens Leben geprägt.

Eva Völker

Mi, 20.09.2017
Friedländer Gespräche V|

Moving. Von den Gefühlen der Migration

Der erste Tag der Friedländer Gespräche vergangene Woche stand unter dem Eindruck politischer Debatten und ging u.a. den verschiedenen Perspektiven von Kultur, Wissenschaft und Politik auf das Thema Migration nach. Yvonne Albrecht von der Universität Kassel begann zunächst mit der Beobachtung, dass Emotionen von Zuwander*innen zumeist im Rahmen von Traumata und anderen psychischen Belastungserscheinungen untersucht würden.

Nach ihrer These müssten Zuwander*innen nicht ausschließlich als Subjekte, sondern als ihre Umwelt aktiv gestaltende und ihre eigene Gefühlswelt modellierende Akteure zu begriffen werden.

Nach einem Rundgang über das Gelände des Grenzdurchganglagers Friedland nahm sich der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius in seinem Impulsvortrag dann den Begriff „postfaktisch“ vor und erläuterte, auch vor persönlichem Hintergrund, seine Perspektive der Ereignisse des Jahres 2015. Sehr pointiert trennte er zwischen unterschiedlicher Interpretation von Zahlen und Ereignissen – und einer „gefühlten Wahrheit“, welche nicht als Entscheidungsgrundlage dienen dürfe.

In der sich anschließenden Podiumsdiskussion hob Prof. Dr. Jochen Oltmer von der Universität Osnabrück hervor, dass sich die Diskussionen über den „langen Sommer der Migration“ 2015 zumeist auf die Kanzlerin und ihre Entscheidungen fokussiert hätten, dabei aber die Frage, warum es überhaupt zu solch konzentrierten Wanderungsbewegungen gekommen wäre und welche Prozesse dahinterstehen, in den Hintergrund getreten seien. Die Wissenschaft hätte darüber hinaus bislang keine Erklärung anzubieten, warum es 2015 zu einem extremen Gefühl der Nähe in der deutschen Gesellschaft in Bezug auf die Flüchtlinge gekommen sei, während dies zu anderen Zeiten ausgeblieben wäre.

Weitere Beiträge am zweiten Tag boten sowohl ganz persönliche Perspektiven auf das Thema Flucht und Ankommen, als auch den analytischen und theoretischen Blick auf gegenwärtige und historische Prozesse. Eine Besonderheit stellte sicherlich der Erfahrungsbericht der Flucht übers Mittelmeer von Monzer Alzakrit dar und das Projekt „Let’s make it“, welches Samah Al Jundi-Pfaff mit Neuankömmlingen im Grenzdurchgangslager Friedland durchführt: Spannende und berührende Reflexionen von selbst Erlebtem auf der einen, die Suche nach Ausdrucksformen von Gefühlen im Grenzdurchgangslager auf der anderen Seite.

Soňa Mikulová brachte in ihrem Beitrag unter anderem Barbara Rosenweins Begriff der „Emotionalen Gemeinschaften“ in die Diskussion, welche sie im Zusammenhang der Akkulturationsprozesse deutscher Vertriebener nach dem Zweiten Weltkrieg anwendet und vertrat damit eine These, die auch über die besprochene Untersuchungsgruppe hinweg vielfach Anwendungen finden kann. Die Panel „Wut, Angst und Ignoranz“ und „Empathie und Zugehörigkeit“ zeigten vielfältige Inhalte und Forschungssamples, die u.a. von Verlustängsten im Angesicht von sogenannten Flüchtlingskrisen berichteten, die alltägliche Diskriminierung in Schule und Alltag untersuchten und Verletzungen religiöser Gefühle im öffentlichen Diskurs nachzeichneten.

Robert Feustel wusste in seinem Beitrag „Im Zweifel für den Zweifel“ durch pointierten Ausdruck und Inhalt einen Punkt zu setzen, der für rege Diskussion sorgte und die Kommunikation rechter Postulate in Medien und Öffentlichkeit in ihren Grundzügen offenlegte. Zum Abschluss der Tagung widmete sich Maruška Svašek den Perspektiven des Forschungsbereiches „Migration und Emotion“ und fand zahlreiche Anknüpfungspunkte zu zuvor thematisierten Aspekten wie z.B. social beings in affective environmentbordering oder mediated emotions

Die Tagung schaffte insgesamt eine gelungene Mischung aus theoretischen und praktischen Bezügen zum Thema Gefühle und Migration. Dies ist insofern bemerkenswert, da im wissenschaftlich-musealen Diskurs dieser Ansatz zwar grundlegend ist, jedoch gerade in dem hier debattierten Zusammenhang eine Herausforderung darstellt.

Steffen Wiegmann

Do, 07.09.2017
Das Quiz machte viele neugierig|

Museum Friedland beim Tag der Niedersachsen

„Was bekam der Millionste Aussiedler 1979 in Friedland zur Begrüßung geschenkt?“ „Seit wann steht dem Lager ein Friseur zur Verfügung?“ Oder: „Wie viele Menschen gingen nach dem Krieg von West nach Ost?“ Ein Ausschnitt aus unserem Quizspiel, das wir am vergangenen Wochenende mit unserem Kooperationspartner „Politik zum Anfassen“ beim Tag der Niedersachsen in Wolfsburg präsentierten. Viele Besucher*innen waren neugierig und nahmen sich Zeit für die Fragen, immer wieder ergaben sich angeregte Gespräche über Flucht und Migration in Niedersachsen.

Neben politischer Prominenz wie Innenminister Boris Pistorius, Sozialministerin Cornelia Rundt und der Integrationsbeauftragten des Landes Niedersachsen Doris Schröder-Köpf, kamen auch viele Menschen aus der weiteren Umgebung zu unserem Stand - nicht wenige mit einer persönlichen Geschichte zum Grenzdurchgangslager Friedland. Eine Besucherin hat uns sogar einen Zulassungsschein aus den 50er Jahren übergeben. Er gehörte ihrem inzwischen verstorbenen Mann, der ursprünglich aus Ostpreußen stammte, in sowjetische Kriegsgefangenschaft geriet und über Friedland nach Deutschland kam. Wir freuen uns sehr über das Dokument, das unsere wachsende Sammlung bereichert und hoffen, dass wir viele Menschen neugierig machen konnten auf das Museum Friedland. 

Eva Völker

Di, 05.09.2017
Zum Auftakt ein Besuch im Museum|

Grenzen überwinden - SCI Studycamp in Friedland

Sie kommen aus Mexiko, Portugal, Spanien, Deutschland, Italien, Polen, der Ukraine und Vietnam. 10 junge Freiwillige, die zwei Wochen lang am Study Camp in Friedland teilgenommen haben - das Motto lautete „Solidarity with Refugees“. Ziel war es, aktuelle Prozesse von Zwangsmigration zu verstehen und diese auch im geschichtlichen Zusammenhang zu betrachten.

Daher stand auch ein Besuch im MUSEUM FRIEDLAND auf dem Programm, das mehr als 70 Jahre Migration thematisiert – angefangen von den massenhaften Zwangsmigrationen im Zuge des Zweiten Weltkriegs, bis hin zu den Schutzsuchenden und Spätaussiedler*innen, die heute im Grenzdurchgangslager untergebracht sind. Max ist von der Ausstellung berührt. Er kommt aus Polen. Dort engagiert er sich als sozialer Aktivist für Geflüchtete. „In den letzten zwei Jahren hat sich die öffentliche Meinung in Polen gegenüber Geflüchteten sehr verschlechtert“, sagt der 24-Jährige. Anlass für Max, der Nahostwissenschaften studiert, Schulen zu besuchen und junge Menschen in Polen aufzuklären, um weit verbreitete Vorurteile vor allem gegenüber Moslems abzubauen

Teresa aus der Ukraine berichtet, dass in ihrem Land aktuell viele Menschen wegen des blutigen Konflikts mit Russland auf der Flucht sind – sei es in den Westen des Landes oder ins Ausland. „In der Ukraine gibt es kaum Organisationen, die die Geflüchteten unterstützen“, sagt die 21-Jährige. „Ich finde es spannend zu erfahren, wie sich die Situation in Deutschland entwickelt hat und wie das Lager Friedland konkret funktioniert“.

Doch im Study Camp ist nicht alles Theorie. Die jungen Leute arbeiten auch mit Bewohner*innen aus dem Grenzdurchgangslager zusammen, die u. a. aus dem Irak, Afghanistan und Syrien kommen. Museumspädagogin Samah Al Jundi-Pfaff half den SCI-Freiwilligen dabei, mit den Bewohner*innen in Kontakt zu treten. Zum Beispiel im Rahmen eines Kunstworkshops zum Thema Grenzen und wie man diese überwinden kann.

Um Grenzen geht es auch im Rahmen des Theaterworkshops mit Luise Rist und Hans Kaul vom Boat People Projekt. Auch durch Körpersprache kann man Grenzen ziehen und einreißen. Allein mit der Sprache der Augen signalisieren die Teilnehmer*innen, ob der andere näherkommen darf oder lieber Abstand halten sollte. „Es geht nicht um große Gesten, sondern um ganz kleine, feine Signale, nur mit Blicken“, sagt Theatermacherin Luise Rist. Sie ist sehr zufrieden mit der Gruppe, die insgesamt 23 Teilnehmer*innen sind ganz bei der Sache. 

So ist dann auch die Bilanz der Koordinatoren des Study Camps Leonardo Pape und Carlo Fulghesu durchweg positiv. „Die Auseinandersetzung mit dem Thema Grenzen, ganz realen und solchen in den Köpfen, war sehr intensiv“, sagt Carlo. „Ein besonderes Erlebnis waren die gemeinsamen Lagerfeuer im Friedlandgarten, wo Freiwillige und Geflüchtete ganz spontan und selbstverständlich zusammenkamen.“ Das fröhliche Abschlussfest im Friedlandgarten mit Einheimischen, Freiwilligen und Menschen aus dem Lager war dann auch ein gelungener Schlusspunkt.

Eva Völker

Di, 22.08.2017
Die Schüler*innen der Göttinger Berufsfachschule Altenpflege|

Empathie lernen im Museum Friedland

Sie kommen aus vielen verschiedenen Ländern: Italien, Litauen, China, Spanien, Ecuador, Kolumbien, Deutschland - die Schüler*innen der Berufsfachschule Altenpflege der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben im Kreis Göttingen. Die angehenden Altenpfleger*innen bereiten sich auf die Biografiearbeit mit Senior*innen vor. „Dafür ist es wichtig, sich in Menschen einzufühlen, die möglicherweise den Zweiten Weltkrieg oder die unmittelbare Nachkriegszeit als Kinder oder Jugendliche erlebt haben – mit all der Zerstörung, der Not und dem Mangel“, sagt Dozentin Daniela Flemming, die die Exkursion ins Museum angeregt hatte.

In der Dauerausstellung bringt Guide Lothar Kämper den Altenpflegeschüler*innen genau diese Lebensumstände nahe. Die Gruppe ist besonders beeindruckt von der kleinen handgefertigten Stoffpuppe, die das Flüchtlingskind Annelie Keil gegen Ende des Zweiten Weltkriegs auf ihrem weiten Weg aus Polen über die Sowjetunion bis nach Friedland begleitet hat. Die Realität, die die Generation der heute über 80-Jährigen als junge Menschen geprägt hat, wird so für die künftigen Altenpfleger*innen greifbar.

Sie kennen zwar die geschichtlichen Zusammenhänge, doch zu erfahren, was die Umstände damals für die Menschen bedeuteten, ging vielen von ihnen unter die Haut. „Natürlich hat jeder einzelne, eine ganz individuelle Geschichte“, sagt Daniela Flemming, „doch die Schüler*innen werden in der Ausstellung dafür sensibilisiert, was die älteren Menschen, die heute im Pflegeheim sind, erlebt haben könnten, welche Bedingungen herrschten, als sie noch jung waren.“ Das sei wichtig, um zum Beispiel besser zu verstehen, weshalb etwa eine alte Dame so sehr an einem ganz bestimmten Erinnerungsstück hängt. Ein solches Verständnis ist Voraussetzung dafür, Empathie für die Menschen zu entwickeln, die gepflegt werden.

Dieses Anliegen der Altenpflegeschüler*innen macht ihren Besuch so besonders. Es geht über das übliche Interesse an Zeitgeschichte, politischen Zusammenhängen und Migrationsthemen hinaus. Die Gruppe bedankte sich bei unserem Guide Lothar Kämper für die, wie sie sagte, sehr engagierte und anschauliche Führung. Die Dozentin Daniela Flemming berichtete einige Tage nach dem Besuch bei uns, dass sich die Schüler*innen noch einmal explizit auch bei ihr für die interessante Exkursion bedankt hätten – mit einer Postkarte aus dem Museum, darauf das Zeitzeugenzitat „Friedland was an Adventure“ – auf Deutsch: Friedland war ein Abenteuer.

Eva Völker

Fr, 18.08.2017
Die VHS-Delegation auf dem Gelände|

Partner in politischer Bildung

Wir hatten neulich den VHS-Landesverband Niedersachsen zu Gast. Die Teilnehmer*innen unternahmen einen Rundgang über das Gelände des Grenzdurchgangslagers und besuchten im Anschluss auch die Dauerausstellung.
Mit rund zwei Millionen Unterrichtsstunden sind die Volkshochschulen der größte Weiterbildungsanbieter in Niedersachsen. Der Vorsitzende des Landesverbandes Klaus-Peter Bachmann und seine Vorstandkollegen*innen zeigten sich beeindruckt von den vielen unterschiedlichen Perspektiven, die die Dauerausstellung vermittelt.

Vorstand und Museumsleitung sind sich einig: Wir tragen eine gemeinsame Verantwortung für die politische Bildung in den Themenfeldern, Flucht, Vertreibung, Migration und Teilhabe.

Frank Frühling

Fr, 11.08.2017
Helmut Bielefeld kam vor 70 Jahren nach Friedland|

Großer Bahnhof!

Am 23. Juli wurde in besonderer Weise Geschichte mit Händen greifbar. Im Mittelpunkt stand Helmut Bielefeld. Er hatte seine Familie, Freunde und Wegbegleiter nach Friedland eingeladen - aus doppeltem Anlass: Zum einen kam Helmut Bielefeld auf den Tag genau vor 70 Jahren in Friedland an, nachdem er aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden war. Zum anderen hatte er bereits vier Jahre vorher, am 1. April 1943, auf dem Bahnhof Friedland seine Ausbildung zum Eisenbahner begonnen.

Insofern ist Helmut Bielefeld ein ganz besonderer Zeitzeuge. Mit seinen Erfahrungen als Friedländer Eisenbahner und als entlassener Kriegsgefangener verkörpert er geradezu das Motto „Abschied – Ankunft – Neubeginn“ unserer Dauerausstellung. Mit bewegenden Worten schilderte er u. a. den Fußmarsch von Ahrenshausen bis Besenhausen und die anschließende Fahrt mit englischen Militärfahrzeugen nach Friedland. Sichtlich gerührt erzählte er auch, wie er im Bahnhofsgebäude endlich seine Familie in Göttingen anrufen konnte.

So individuell die Erfahrungen von Helmut Bielefeld auch sind – sie bringen zum Ausdruck, was Abschied – Ankunft – Neubeginn für Millionen von Menschen bedeuten, die bis heute das Grenzdurchgangslager passiert haben.

Ein herzliches Dankeschön an Helmut Bielefeld dafür, dass er an diesem Tag seine persönlichen Erfahrungen mit dem Museumsteam geteilt hat.

Frank Frühling

Mi, 02.08.2017
Integrationskursteilnehmer*innen beim Gang durch die Ausstellung|

Die Dinge zum Sprechen bringen

Die Dinge zum Sprechen bringen
Es war ein besonderer Tag im Museum Friedland: Ein Integrationskurs der LEB Northeim kam zu einem Workshop ins Museum. Schon vorab hatten die etwa 20 Teilnehmer*innen sich im Unterricht auf den Besuch vorbereitet und nicht nur über die Aufgaben eines Museums gesprochen, sondern auch das Grenzdurchgangslager Friedland kennengelernt. Im Museum angekommen, konnten die neugierigen Teilnehmer*innen zunächst in Zweierteams eine Rallye durch die Ausstellung absolvieren.

Anhand von Fotos sollten sie Objekte aus der Ausstellung finden und etwas über sie in Erfahrung bringen: Z. B. ein Suchplakat des Deutschen Roten Kreuzes aus dem Jahr 1950 mit Fotos von Kindern, die ihre Eltern auf der Flucht nach dem Zweiten Weltkrieg verloren hatten. Oder ein Brustbeutel mit den Namen von Verwandten in Westdeutschland, den eine Mutter ihren Kindern während der Flucht aus Pommern kurz vor Kriegsende um den Hals gelegt hatte. Oder auch ein Foto der Hai Hong aus dem Jahr 1978 mit Hunderten vietnamesischer Boat People an Bord.

Was es bedeutet, seine Heimat verlassen zu müssen, haben die Kursteilnehmer*innen selbst erfahren, einige von Ihnen waren auf der Flucht großen Gefahren ausgesetzt. Beim Anblick von Fotos der Boat People aus Vietnam griff ein Mann aus Syrien spontan zum Handy, um den Guides ein Video zu zeigen,  das er selbst während der Fahrt über das Mittelmeer in einem kleinen Schlauchboot gedreht hatte. Die Begegnung mit den Objekten im Museum regte auch den Rest der Gruppe zum Erzählen an. „Scheinbar banale Dinge können so spannend sein, man muss sie nur zum Sprechen bringen“, sagt Museumspädagogin Angela Steinhardt. Und das ist offenbar geglückt. Die Teilnehmer*innen jedenfalls haben viel erzählt und kluge Fragen gestellt. Sie teilten die Erfahrungen, die sie selbst auf dem Weg nach Deutschland gemacht haben. Ihre Geschichten waren umso interessanter, als sie aus ganz unterschiedlichen Ländern gekommen sind, u. a. Syrien, Ukraine, Albanien, Iran oder Kasachstan.

Ein weiteres Ausstellungsstück, das auf besonderes Interesse stieß, war die Einbürgerungsurkunde eines gebürtigen Ungarn aus dem Jahr 1967. Unter den Teilnehmer*innen entwickelte sich ein Gespräch darüber, dass manche Menschen sofort eingebürgert werden, wie z. B. Igor, der 2015 als Spätaussiedler aus der Ukraine kam, Menschen, die in den letzten zwei Jahren als Flüchtlinge nach kamen, dagegen nicht.

„Diese Eindrücke und Gespräche sind ein umfassendes Lernerlebnis für die Teilnehmer*innen“, sagt der Historiker Rainer Ohliger, der den Workshop zusammen mit der Museumspädagogin Angela Steinhardt konzipiert hat. „Sprache, politische Inhalte, rechtliche Bestimmungen, Reflektieren der eigenen Biografien - auf all diesen Gebieten haben die Teilnehmer*innen Neues dazugelernt.“ Und dabei ganz offensichtlich viel Freude gehabt. Vielleicht auch, weil sie selbst aktiv werden, ihre eigenen Erfahrungen einbringen und anhand realer Gegenstände arbeiten konnten. Im normalen Unterrichtstalltag ist das nur selten der Fall.

Die Begeisterung der Teilnehmer*innen war jedenfalls auch am folgenden Tag noch zu spüren, als sie ihrer Dozentin Olga Batzel von den Erfahrungen im Museum berichteten. Der Besuch des Integrationskurses war der Auftakt eines von der Bundeszentrale für Politische Bildung geförderten Projektes, das vom Museum Friedland in Kooperation mit der LEB Northeim und der VHS Göttingen-Osterode initiiert wurde. Ziel ist es, einen Bildungsrucksack mit Dingen zu konzipieren, die Menschen zum Sprechen bringen. Dieser Rucksack soll  künftig auch in anderen Integrationskursen verwendet werden können.

Eva Völker

Mi, 19.07.2017
Die Lagerchronik im Fokus|

Museum als Inspirationsquelle

Kürzlich führte Kurator Dr. Joachim Baur das Ausstellungsteam der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung aus Berlin durchs Museum. Die Berliner Kolleginnen planen gerade eine große Dauerausstellung zu Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert. Jetzt schauen sie sich Best-Practice-Beispiele aus der Museumswelt an. „Wir wollen uns vollsaugen mit Eindrücken vom Museum Friedland und dem Grenzdurchgangslager“, sagte Stiftungsdirektorin Dr. Gundula Bavendamm.

 Den Kontakt hergestellt hatte ihre Kollegin Johanna Wensch, die früher als Kuratorin die Ausstellung „Fluchtpunkt Friedland“ mitgestaltet hat.

Beim Rundgang durchs Museum zeigten die Gäste aus Berlin besonderes Interesse an den Multimediainstallationen. Die Video-Präsentation über die Migration im Zuge des Zweiten Weltkriegs zum Auftakt der Ausstellung beeindruckte sie besonders: „Man wird reingezogen, man vergisst, wo man ist“, berichtete Dr. Gundula Bavendamm.

Die Gruppe besuchte auch das Gelände des Grenzdurchgangslagers. Andrea Moll staunte über „den fließenden Übergang von innen außen, die Nähe des öffentlichen Ortes Museum im historischen Bahnhofsgebäude zum Lager Friedland“. „Dass das Lager so offen ist, hat mich überrascht, ich habe mich gefragt, wo ist das Lager zu Ende“, erzählt Andrea Kamp. „Es ist spannend, am historischen Ort zu sein, der in seiner Ursprungsfunktion noch immer in Betrieb ist“, sagt Uta Fröhlich.

Wir hoffen, der Besuch im Museum Friedland war inspirierend für das spannende Ausstellungsprojekt der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung. Viel Erfolg bei der weiteren Planung und Umsetzung!

Eva Völker

Mi, 12.07.2017
Professor Peter Gatrell und Guide Klaus Magnus|

"Friedland ist ein guter Ort zum Nachdenken"

Interview mit Prof. Peter Gatrell, Universität Manchester

Neulich war Professor Peter Gatrell von der Universität Manchester zu Besuch. Der Historiker ist Autor von „The Making of the Modern Refugee“, so etwas wie einem Standardwerk der Migrationsforschung. Seine Recherchen für sein neues Buch haben ihn zu uns geführt. Klaus Magnus zeigte ihm die Ausstellung und das Lagergelände, anschließend gab er uns ein kleines Interview.

Eva Völker: Was denken Sie über das Museum Friedland? Wie hat es auf Sie gewirkt?

Peter Gatrell: Das Museum ist sehr beeindruckend, eigentlich beeindruckender als erwartet, nachdem ich mir die Website angeschaut hatte. Ich wusste also im Vorhinein von der Ausstellung im historischen Bahnhof. Aber jetzt vor Ort alles im Zusammenhang zu sehen - die Dauerausstellung, die Pläne für die Erweiterung, das Lager selbst - all das hat einen sehr starken Eindruck auf mich gemacht. Es ist ein einzigartiges Projekt: Zwar gibt es Museen der Migration in anderen Teilen der Welt, aber ich glaube nicht, dass es eines gibt, wo Vergangenheit und Gegenwart auf eine so spannende Weise im Dialog miteinander stehen wie hier. Ich hatte wohl interessante Fotografien und Objekte erwartet. Die werden ja auch gezeigt. Aber ich denke, was das Museum so bemerkenswert macht, ist die Kombination der Fotos, der Interviews und dessen, was sich heute vor Ort abspielt.

EV: Beim Rundgang über das Gelände sagten Sie, es gebe nicht besonders viele Objekte in der Ausstellung…

PG: Die Handvoll Objekte zusammen mit Fotografien zu zeigen, manchmal das Foto der Person, der das Objekt ursprünglich gehörte, hat eine starke Wirkung. Es gibt Museen wie das ‚Imperial War Museum‘ in Manchester, das vollgestopft ist mit Objekten. Doch ihre schiere Anzahl ist so überwältigend, dass man gar nicht stehenbleiben und sich auf ein einzelnes Objekt einlassen kann, weil es so vieles gibt, was davon ablenkt. Andererseits hier die Puppe zu sehen, die dem kleinen Mädchen geschenkt wurde oder das Suchschild (mit dem Namen des vermissten Soldaten), versehen mit einem klugen Text und weiteren Fotos, macht es für die Besucherinnen und Besucher viel interessanter. Ganz egal, ob man etwas über Migration weltweit oder in Nachkriegsdeutschland weiß oder nicht, die Ausstellung schafft eine Gelegenheit, intensiver über die Themen nachzudenken als das möglich wäre, wenn man die Leute mit Hunderten von Objekten bombardieren würde.

EV: Was waren Ihre Gedanken und Gefühle, als Sie durch das Lager gegangen sind?

PG: Klaus Magnus hat mich über das Gelände des Grenzdurchgangslagers geführt und dabei dessen Geschichte erläutert. Wir gingen also durch das Lager, das die Geschichte dieses Teiles von Deutschland seit 1945 widerspiegelt. Der physische Ort hat also eine starke Botschaft für die Besucherinnen und Besucher. Man merkt aber auch schnell, dass es sich nicht nur um eine archäologische Stätte handelt, es ist vielmehr ein Ort, wo Menschen wohnen. Und die Menschen, die hier leben, sind die Einwohnerinnen und Einwohner Friedlands am Rande des Lagers. Aber im Lager selbst leben auch Menschen aus Fleisch und Blut. Manche spielen, manche telefonieren gerade mit ihrem Handy, manche sitzen einfach nur ruhig da. Und man erkennt, es gibt eine Geschichte des Asyls und eine Geschichte der Flüchtlinge des 20. Jahrhunderts, und ein Teil davon wird repräsentiert an genau diesem Ort, an dem wir uns gerade befinden. Und, was auch interessant ist, es gibt Leben, die hier zurzeit gelebt werden. Von Menschen, die, so hoffe ich, eine gute Zukunft haben, aber auch eine Vergangenheit. Und fast alles, was über Flüchtlinge geschrieben wird, wird geschrieben über die einzige Sache, für die wir uns interessieren sollten, nämlich dass sie Flüchtlinge sind. Natürlich ist das interessant. Allerdings nimmt das Wort „Flüchtling“ der Person alles, was sie sonst noch so ausmacht – ihr Leben, ihre Biografie, ihren Beruf. Doch die so bezeichneten Menschen sind in Wirklichkeit sehr verschieden, sie sind unterschiedlich alt, haben verschiedene Geschlechter und Hintergründe. Aber das Wort „Flüchtling“ besagt, das alles spielt keine Rolle. Es geht allein um den Status, ob sie den Status als „Flüchtling“ bekommen, dass sie als „Flüchtlinge“ hier sind. Und genau das, finde ich, ist schrecklich, dass das 20. und 21. Jahrhundert den Menschen das antut.

EV: Wird dieses Problem in der Ausstellung herausgearbeitet?

PG: Ja, absolut. Denn es geht darin um Menschen, die sozusagen in der Zeit gefangen sind und auch oft in einem Lager gefangen sind. Und auch sie haben eine Biografie oder so etwas wie ihre eigene Geschichte vor 1945 oder 1950 oder 1955. Aber es gibt auch das Leben, das sie danach gelebt haben. Und hier sind die Zeitzeugen-Interviews wichtig, denn sie zeigen, dass Menschen überleben. Und dann gibt es natürlich auch einige tragische Geschichten. Doch nicht alle Zeitzeuginnen sehen sich selbst als Opfer. Für einige war Friedland eine Chance, ein Neuanfang.

EV. Worum geht es in Ihrem aktuellen Buchprojekt?

PG: Mein Verlag hat mich gebeten, eine Geschichte der Einwanderer zu schreiben, vor allem der Menschen, die nach Großbritannien gekommen sind. Doch ich sagte, Großbritannien ist nur ein kleiner Teil Europas – zumindest zurzeit noch -, und daher möchte ich lieber über die Geschichte Europas seit 1945 schreiben unter dem Blickwinkel der Migration, um zu verstehen, was gerade in Europa und mit den Europäern passiert. Es ist also der Versuch, auf einer sehr breiten Leinwand die Umwälzungen darzustellen, die es in Europa seit 1945 gab. Da sind natürlich die Kriege, nicht nur die Folgen des Zweiten Weltkriegs, sondern auch z. B. der Jugoslawien-Krieg. Aber es geht darüber hinaus keinesfalls allein um Zwangsmigration, sondern auch um die ganz alltägliche Migration infolge wirtschaftlicher Veränderungen. Dabei spielt nicht nur die Geschichte Westeuropas eine Rolle, sondern ganz sicher auch die Osteuropas. Es geht also um die Frage, was Migration mit Europa macht, was Europa mit Migranten macht und darum, sich den Umgang der Politik damit und die entsprechenden Gesetzesänderungen vor Augen zu führen.

EV: Welchen Beitrag kann Friedland zu Ihren Recherchen beisteuern?

PG: In dem Kapitel über Migrationserinnerung möchte ich über das Erbe der Migration schreiben - nicht nur über die materiellen Gegenstände, die die Menschen mit sich führen, sondern auch darüber, wie Staaten und Regierungen und Kommunalverwaltungen darüber entscheiden, ob es wichtig ist, die Geschichte der Migration festzuhalten oder nicht. Und ich denke, Friedland ist besonders interessant, weil es zur Zeit ein außergewöhnliches Beispiel dafür liefert, was örtliche Behörden und das Land erreichen können in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen, Kuratoren und anderen Museumsmitarbeiterinnen. Ich möchte also über Erinnerungen der Migration schreiben. Es kann sehr gut sein, dass ich wiederkomme, einfach um mich hinzusetzen und nachzudenken. Ich finde, Friedland ist ein guter Ort zum Nachdenken.

Mo, 10.07.2017
Monzer Alzakrit beim SoVD-Workshop|

Gefühle der Migration

Der Sozialverband Deutschland SoVD, ein großer sozialpolitischer Interessenverband, ist aktuell dabei, seine Beratung noch stärker auf die Bedürfnisse Geflüchteter abzustimmen. Grund genug für den Bezirk Braunschweig des SoVD, seine Mitarbeiter*innen für die Situation von Menschen nach der Flucht zu sensibilisieren. Nach einem Besuch in unserer Ausstellung gab es Vorträge und Workshops. In diesem Rahmen berichtete mein Kollege Monzer Alzakrit über seine eigenen Gefühle, Wünsche und Hoffnungen, die ihn während seiner Flucht aus Syrien über Ägypten bis nach Deutschland begleiteten.

Monzer Alzakrit hat in Homs Jura studiert und vier Jahre als Anwalt gearbeitet. Der Bürgerkrieg zwingt ihn zunächst, nach Ägypten zu fliehen, wo ihn sein Bruder aufnimmt, der dort als Ingenieur tätig ist. Doch er findet keine adäquate Arbeit. So fasst er schweren Herzens den Entschluss, weit weg zu gehen, nach Deutschland, in der Hoffnung, dort Geld zu verdienen und seine Familie zuhause unterstützen zu können.

Der junge Syrer spricht von der Verzweiflung, die ihn packt, als er das kleine Boot sieht, auf das ihn die Schlepper zwingen. Von der Angst während der acht Tage währenden Überfahrt nach Italien in dem völlig überfüllten Boot. Von der Orientierungslosigkeit, „überall sah man nur die Farbe Blau, oben der Himmel, unten das Meer, wir wussten nicht, wo wir sind“. Doch Monzer Alzakrit überlebt und kommt krank und entkräftet in Italien an. Nachdem er sich ein wenig erholt hat, fährt er mit dem Zug nach Frankfurt und weiter nach Friedland. Von dort kommt er in eine Flüchtlingsunterkunft in Eschwege. Er beschreibt, wie einsam er sich fühlt, obwohl er sich mit sieben anderen Männern ein Zimmer teilt.

Aber der junge Mann ist fest entschlossen, Deutsch zu lernen und unter Menschen zu gehen. Er besucht einen Kochkurs, geht tanzen. Was ihm Kraft gibt, sagt er, ist die Hoffnung, dass eines Tages in seinem Herkunftsland Syrien wieder Frieden herrscht. - Neun Monate, nachdem er nach Deutschland gekommen ist, erinnert man sich in Friedland an ihn und fragt ihn, ob er nicht im Grenzdurchgangslager als Dolmetscher arbeiten wolle. Er nimmt das Angebot gerne an. Bald darauf bewirbt er sich am Empfang im Museum Friedland. Er bekommt den Job und ist seit vergangenen Herbst mein Kollege. Toll, dass er seine Geschichte so reflektiert erzählt und sie mit interessierten Menschen teilt. Dieser Meinung sind auch die Teilnehmer*innen seines Workshops. Die Gäste vom SoVD staunen über Monzer Alzakrits Mut und seine Offenheit.

Eva Völker

Fr, 23.06.2017
Bewohner*innen des Lagers Friedland und Besucher*innen feiern zusammen|

Sommerfest des Museums Friedland

Sie schillerten in allen Regenbogenfarben, der knallblaue Himmel lieferte den perfekten Hintergrund. Doch die flüchtigen Gebilde, die der Seifenblasenkünstler Marco Wittich aus Eschwege in die Luft zauberte, bestachen durch ihre Formenvielfalt - manche bizarr in die Länge gezogen, manche einfach nur riesig und rund, manche kamen in Scharen. Die Seifenblasen machten den Auftakt zum Sommerfest des Museums Friedland. Wie schon im vorigen Jahr waren wir wieder zu Gast im Grenzdurchgangslager und nutzten den schönen Platz vor der Nissenhütte.

Wir nahmen den Weltflüchtlingstag zum Anlass, um an den Mut, die Stärke und das Durchhaltevermögen von Millionen von Menschen zu erinnern, die zurzeit weltweit auf der Flucht sind. Das traf auch auf viele unserer Gäste zu, die aus Syrien, dem Iran oder Tschetschenien nach Friedland gekommen sind. Sie freuten sich besonders darüber, dass auch so viele Menschen aus der Region da waren, um mit ihnen zu feiern. „Sie freuen sich über die Menschenliebe, die hier rüberkommt und an die viele von ihnen zurzeit im Ramadan erinnern“, berichtet Museumsmitarbeiterin Samah Al Jundi-Pfaff.

Sie leitete das Kunstprojekt „Salamstan – ein Koffer voller Wünsche“. Die Besucher*innen konnten mit Bildern oder Zeichnungen ihre Wünsche und Hoffnungen auf Postkarten zum Ausdruck bringen. Ruoa, 13, ein Mädchen aus Syrien, malte einen Schmetterling und schrieb dazu: „Ich bin so optimistisch, ich werde meinen Weg gehen.“ Sarah schrieb: „Der Weltflüchtlingstag ist eine Gelegenheit deutlich zu machen, dass wir alle Weltbürger sind.“

Wer noch intensiver mit Farbe arbeiten wollte, konnte sich beim Projekt „Kulturstühle“ austoben, das das Team von ZESS um Christa Zieker von der Uni Göttingen betreute. Hier malten Besucher*innen gespendete Holzstühle an. Manche mit einer Botschaft: „Ich vermisse Dich, Schwester“ oder „Gebt den Kindern eine Zukunft“, andere mit knalligen Punkten, geometrischen Mustern oder Blumen. Mit Pflanzenornamenten arbeitete auch der Tattoo-Künstler Stefanos Zamas. Er verzierte die Hände zahlreicher Besucher*innen mit Henna-Tattoos.

Und wer zwischendurch Lust hatte, konnte zur Begleitung der Band „Azadi“ aus Göttingen tanzen. Die Musiker aus Syrien, dem Irak und Deutschland um den Gitarristen Omid Jalali spielten traditionelle persische und kurdische Musik – zur Freude der Besucher*innen, die trotz drückender Hitze vor der Bühne die Hüften schwangen. Darunter auch einige Bewohner*innen des Grenzdurchgangslagers aus Tschetschenien, die in den Band-Pausen ihre Handies an die Anlage anschlossen, um Musik aus ihrem Herkunftsland zu spielen.

Ein sanfter Wind trieb ab und zu ein paar Seifenblasen über die Bühne. Auf der Wiese dahinter hatten nämlich inzwischen die Kinder übernommen. Der Seifenblasenkünstler Marco Wittich hatte zum Glück vorgesorgt und jede Menge Utensilien mitgebracht, darunter auch mehrere Miniplanschbecken mit Seifenlauge. Kleinkinder puddelten darin oder schauten einfach nur fasziniert den Großen zu. Die Teenager hatten ihren Spaß und versuchten, möglichst große Seifenblasen hinzubekommen.

Wir freuen uns über das gelungene Fest, und wollen an dieser Stelle dem Grenzdurchgangslager für die Gastfreundschaft, den vielen ehrenamtlichen Helfer*innen für ihre Unterstützung und - last but by no means least - der Göttinger „musa“ für die großzügige Bereitstellung der Bühnentechnik ganz herzlich danken!

Eva Völker

Do, 08.06.2017
Die Teilnehmer*innen sind dem Museum eng verbunden|

Parlamentarische Vereinigung zu Gast

Über den Besuch der Parlamentarischen Vereinigung Niedersachsen neulich haben wir uns sehr gefreut. Schließlich sind deren Mitglieder unserem Haus seit langem eng verbunden; haben sich doch viele von ihnen vor elf Jahren im Landtag für die Errichtung eines Museums stark gemacht. Insofern war es dem Landesbeauftragten des Museums Friedland, Dr. Frank Frühling, eine besondere Ehre, die Gäste durch die Ausstellung zu führen.

Unter ihnen war auch Rolf Zick, der selbst im Jahr 1948 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft nach Friedland kam. Später berichtete er als Reporter  über das Lager Friedland. "Es gab erschütternde Szenen im Lager mit Tränen der Freude und des Dankes, aber auch der Enttäuschung, wenn der seit zehn Jahren Vermisste auch jetzt nicht dabei war", erinnert sich Rolf Zick an die Ankunft der entlassenen Kriegsgefangenen im Jahr 1955.

Aber auch der Teil der Ausstellung, der die jüngere Geschichte des Grenzdurchgangslagers erzählt, fand großen Anklang. Im Anschluss an den Museumsbesuch informierte der Präsident der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen, Jens Grothe, über die aktuelle Situation im Lager.

Eva Völker

Mi, 24.05.2017
Die Gäste aus Hannover zeigten sich nachdenklich|

Landtagspräsidium zu Besuch

Gut ein Jahr nach der Eröffnung hatten wir das Präsidium des Niedersächsischen Landtages zu Gast. Die Landtagsvertreter*innen nahmen an einer Führung durch die Dauerausstellung „Fluchtpunkt Friedland – Über das Grenzdurchgangslager 1945-heute“ teil. Grund für den Besuch ist die enge Verbindung des Präsidiums des Niedersächsischen Landtages zum MUSEUM FRIEDLAND. Schließlich hat der Landtag mit seinem Beschluss vom 11. Oktober 2006 einen wichtigen Impuls zur Gründung des Museums gesetzt.

Damals forderte der Landtag fraktionsübergreifend die Landesregierung auf, die historische Bedeutung des Grenzdurchgangslagers Friedland durch die Errichtung eines Museums angemessen zu würdigen.

An diesen über die Parteigrenzen hinweg getroffenen Beschluss erinnerte Landtagspräsident Bernd Busemann nach dem Rundgang. Er lobte das MUSEUM FRIEDLAND als „eine besondere Einrichtung mit bundesweiter Strahlkraft“ und sagte die Unterstützung für alle weiteren Ausbaustufen zu. Seine Stellvertreterin Gabriele Andretta sah das Potenzial des Museums als „Lernort, der zeigt, dass wir verantwortlich umgehen müssen mit Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen.“ Präsidiumsmitglied Ingrid Klopp war besonders beeindruckt von dem Teil der Ausstellung, der die Nachkriegszeit thematisiert, da sie diese Jahre als Kind bewusst miterlebte: Junge Männer, die im Krieg getötet wurden, Mütter, die vergeblich auf ihre Söhne warteten. „Dass die Willkommenskultur jetzt so umschlägt, macht mich traurig“, sagte Ingrid Klopp. Umso ernster nimmt das MUSEUM FRIEDLAND seine Rolle als Ort der politischen Bildung.

Eva Völker

Di, 16.05.2017
Die Kultusministerium im Dialog mit Schüler*innen aus Groß Schneen|

Das Museum ist jetzt außer-schulischer Lernort

Jetzt ist es offiziell: Nach nur einem Jahr ist das Museum Friedland als außerschulischer Lernstandort anerkannt worden. Auf die Minute pünktlich traf Kultusministerin Frauke Heiligenstadt bei uns ein. Sie hatte die offizielle Plakette und jede Menge Zeit im Gepäck. Die Ministerin lobte das Museum Friedland als einen Ort, der bestens geeignet sei, Geschichte zu reflektieren und Gegenwart zu erfahren. Dies gelte insbesondere auch mit Blick auf die Frage, aus welchen Gründen und unter welchen Umständen Menschen aus ihren Herkunftsregionen fliehen müssten.

„Angesichts der aktuellen rechtspopulistischen Tendenzen ist die Bildungsarbeit im Bereich Flucht und Migration äußerst wichtig“, ergänzte Frauke Heiligenstadt. Es gehe auch darum, Solidarität mit den Geflüchteten zu entwickeln. 

Mit Interesse ließ sich die Ministerin zunächst das pädagogische Konzept erläutern, das auf Nachhaltigkeit durch Eigeninitiative und selbständiges Erschließen der Lerninhalte setzt. Im Anschluss erhielt sie einen Einblick in die Praxis: Museumspädagogin Angela Steinhardt führte Frauke Heiligenstadt durch die Ausstellung, wo sie auf zwei Schülergruppen der Carl-Friedrich-Gauß-Schule Groß Schneen stieß. Die 10. Klässler*innen nahmen gerade an einem Workshop teil, in dem sie sich unter anderem mit der Arbeit des DRK-Suchdienstes nach dem Zweiten Weltkrieg und der Aufnahme der Vietnamesischen Boat People Ende der 70er Jahre auseinandersetzten. Nina, 16 Jahre alt, ist erstaunt darüber, welche großen Vorbehalte es gegen manche Menschen gab, die das Grenzdurchgangslager durchliefen – z. B. die Displaced Persons, also ehemalige KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter*innen oder Kriegsgefangene des Nazi-Regimes. Ganz anders wurden die Boat People aufgenommen. „Es ist schön, dass die Menschen aus Vietnam damals so freundlich empfangen wurden", freut sich Ninas Mitschüler Abdullah.

Einige der Jugendlichen aus Groß Schneen sagten, ihnen sei bewusst geworden, wie froh sie sein könnten, dass sie in einem Land geboren seien, in dem sie nicht verfolgt würden. - Diese Sicherheit ist den Schüler*innen aus dem Grenzdurchgangslager nicht gegeben. Auch sie schauten sich an diesem Vormittag das Museum an: Setayesh, Fidan, Adam und Saman mussten ihre Herkunftsländer Iran, Aserbaidschan und Libanon verlassen. Für sie bedeutet Friedland einen Neustart in eine ungewisse Zukunft.

Eva Völker

Do, 04.05.2017
Dr. Joachim Baur auf dem Podium zum Thema "Einwanderungsgesellschaft in Niedersachsen"|

"Zuwanderung war schon immer..."

Dr. Joachim Baur vertrat das Museum Friedland bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Einwanderungsgesellschaft in Niedersachsen“. Sie fand am Rande der neuen Sonderausstellung „immer bunter“ statt, die bis 27.8.2017 im Landesmuseum Hannover zu sehen ist. Mit rund 120 Gästen war der Saal im Landesmuseum Hannover mehr als gut gefüllt. Die Landesbeauftragte für Migration und Teilhabe, Doris Schröder-Köpf, hatte gemeinsam mit der Direktorin des Landesmuseums, Prof. Dr. Katja Lembke, zur Podiumsdiskussion über Geschichte und Gegenwart des Zuwanderungslands Niedersachsen geladen. 

Der besondere Reiz der überaus lebhaften Veranstaltung entstand nicht zuletzt aus den unterschiedlichen fachlichen, aber auch persönlichen Blickwinkeln, die Dr. Jens Schneider (Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück), Seda Rass-Turgut (Integrationsbeauftragte der Stadt Osnabrück), Joanna Maria Stolarek (Neue deutsche Medienmacher) und Filiz Polat (MdL) in das gemeinsame Gespräch einbrachten. 

Joachim Baur konnte in diesem Zusammenhang die Perspektive Friedlands einbringen. Die spannende Verbindung von Geschichte und Gegenwart an diesem Ort und deren lebendige Vermittlung im Museum fand dabei sehr positive Resonanz. Wir sind uns recht sicher, dass sich manche der Zuhörer*innen demnächst auf den Weg ins Museum Friedland machen werden und freuen uns auf den Besuch.

Dr. Joachim Baur

Weitere Informationen zur Sonderausstellung "immer bunter" gibt es hier.

Do, 27.04.2017
Vorstellung des Begleitbuchs|

"Fluchtpunkt Friedland"

„Sehr eindrucksvoll“, „die persönlichen Geschichten haben mich bewegt“, so einige der Rückmeldungen unserer Besucher*innen, nachdem die Ausstellungsmacher*innen Dr. Lorraine Bluche und Dr. Joachim Baur sie durch das Museum Friedland geführt hatten. Sie gewährten einen Blick hinter die Kulissen und berichteten, wie sie bei ihren Recherchen für die Ausstellung vorgegangen sind.

So wurde dem Museum Friedland zum Beispiel ein Originalsuchschild übergeben, mit dem die Frau von Heinrich Popp aus Herleshausen nach ihrem in der Sowjetunion vermissten Ehemann suchte. Durch Zufall stieß das Museumsteam in einem großen Bildarchiv auf ein Pressefoto aus dem Jahr 1955, das wiederum die Frau zeigt, wie sie in Friedland eben dieses Schild in Händen hält, um beim Eintreffen eines Transports ehemaliger Kriegsgefangener aus der Sowjetunion ihren Mann zu suchen - ein schönes Beispiel für die Detektivarbeit, die die Ausstellungsmacher*innen geleistet haben. Und eine Aufforderung an die Besucher*innen, sich auch selbst auf Spurensuche zu begeben und einzelne Personen oder deren Namen an unterschiedlichen Stellen in der Ausstellung ausfindig zu machen.

Lorraine Bluche berichtete über die ersten internationalen Geflüchteten, die nach Friedland kamen, vor allem über die Chilenen und Boat People in den 70er Jahren, aber auch über kleine Gruppen von Eritreern, die ebenfalls schon zu der Zeit eintrafen.

Im Anschluss an die Führung stellten Lorraine Bluche und Joachim Baur das gerade im Wallstein-Verlag erschienene Begleitbuch zur Ausstellung vor, das sie gemeinsam herausgegeben haben. Darin beleuchten Mitglieder des wissenschaftlichen Aufbauteams einzelne Themenschwerpunkte, über die in der Öffentlichkeit bislang wenig bekannt ist. So erläuterte Lorraine Bluche etwa das jüngste Projekt „So sehe ich das…“, dessen Ergebnisse aktuell in der Nissenhütte ausgestellt sind: Fotos, aufgenommen von Geflüchteten und Spätaussiedler*innen, die ihre Perspektive auf das Grenzdurchgangslager zeigen. Auf diese Weise bezieht das Museum Friedland auch die aktuellen Bewohner*innen des Lagers in die Ausstellungsarbeit ein - ein Beispiel für die partizipative Arbeit des Museumsteams.

Das Foyer war fast voll besetzt, und viele Besucher*innen versprachen wiederzukommen. Wir freuen uns aufs Wiedersehen.

Eva Völker

 

Das Begleitbuch zur Ausstellung:

Fluchtpunkt Friedland. Über das Grenzdurchgangslager, 1945 bis heute, hrsg. von J. Baur und L. Bluche, Göttingen (Wallstein Verlag), 4/2017, 232 S., € 24,90ISBN 978-3-8353-3012-2

Sa, 22.04.2017
Klaus aus Texas und Klaus aus Niedersachsen|

Klaus und Klaus - eine deutsch-amerikanische Freundschaft

Unser Guide Klaus Magnus hatte seinen alten Studienfreund Klaus Driessen aus Arlington, Texas, zu Besuch. Die beiden lernten sich Anfang der 70er Jahre an der Universität von Texas kennen. Über all die Jahre haben Klaus aus Niedersachsen und Klaus aus Texas Kontakt gehalten. Da war es nur eine Frage der Zeit, wann Klaus Driessen im Museum Friedland vorbeischauen würde.

Heute war es soweit. Aus der geplanten Stunde in der Dauerausstellung sind fast vier geworden. Kein Wunder, Klaus aus Friedland ist ein sehr kenntnisreicher Guide und Klaus aus Arlington ein sehr interessierter Besucher. Besonders gefällt Klaus Driessen die Mischung aus informativen Videos, in denen die großen Zahlen all der Menschen vermittelt werden, die durch das Lager gingen und den Einzelschicksalen, die in der Ausstellung detailliert vorgestellt sind. „So bekommen die schieren Massen ein menschliches Gesicht“, sagt Klaus Driessen. Ihn beeindruckt auch, wie schwierig es für viele Menschen war, Friedland überhaupt zu erreichen.

Klaus Driessen, Dozent an der Universität von Texas, will eine Unterrichtseinheit für die amerikanischen Studierenden über das Museum Friedland vorbereiten.


Vor einigen Wochen hatte Klaus Magnus seine Alma Mater in Arlington besucht und dort bereits Werbung  im Department of Modern Languages für das Museum gemacht. Im Sommer 2018 wird eine Gruppe Studierender der Universität von Texas nach Deutschland kommen.

Wir freuen uns auf den Besuch!

Eva Völker

Mo, 03.04.2017
Auftakt vor der Nissenhütte|

1 Jahr Museum Friedland

Die Bretter bebten beim Fest im Foyer. Dort sorgten Sänger Alexej Orslet und die Band Makatumbe u. a. mit russischer, kurdischer und afghanischer Musik für ausgelassene Stimmung. Gründe zum Feiern gab es einige: 1 Jahr Museum Friedland, eine gute Resonanz mit 16.000 Besucher*innen in den ersten 12 Monaten und ein reges Interesse an der Sonderausstellung „So sehe ich das…“, die zum Geburtstag in der Nissenhütte eröffnet wurde.

Die Gäste drängten sich vor den Fotos, die ehemalige Bewohner*innen des Grenzdurchgangslagers Friedland im vergangenen September aufgenommen hatten. Sie zeigen, wie Spätaussiedler*innen und Geflüchtete ihre Zeit im Lager erleben, welche Ängste und Sorgen, aber auch welche Hoffnungen sie haben, wenn sie in Friedland ankommen. „Das bekommt man normalerweise so nicht mit, die Geschichten sind sehr berührend“, sagt Jörg Müller aus Göttingen. Er bleibt an einem Bild hängen, darauf sind Bahngleise zu sehen. Die Texte daneben erzählen die Hintergründe zu dem Foto: Mohamad aus Eritrea hat es aufgenommen, weil er zusammen mit 10 anderen während der Flucht nachts auf einer Bahnstrecke unterwegs war. Seine Gefährten wurden alle festgenommen, er blieb allein übrig. 

Einige der ehemaligen Bewohner*innen sind zur Eröffnung gekommen. Vitaly aus Russland und Viktoryia aus Kasachstan zum Beispiel, sind eigens aus Regensburg angereist. Das junge Paar freut sich, dass die Fotos, die sie vor einem halben Jahr aufgenommen haben, jetzt so groß und schön präsentiert sind. Die beiden haben es inzwischen gut angetroffen in Bayern, haben eine Wohnung gefunden mit netten Nachbarn und konzentrieren sich zur Zeit ganz aufs Deutschlernen. Die Feier im Anschluss an die Ausstellungseröffnung lassen sie sich nicht entgehen.

Alexej Orslet lässt es im Foyer des Museums zunächst mit einem Gitarrenstück ruhig angehen. Bald wird die Musik lebendiger, eine ganze Reihe von Besucher*innen versammelt sich um ihn: Spätaussiedler*innen, die die russischen Texte verstehen, zahlreiche Geflüchtete, darunter einige tanzbegeisterte Kinder, denen der Rhythmus in die Beine geht, und Besucher*innen aus Friedland, Göttingen und Umgebung. Zwischendurch liest Alexej ein eigenes Gedicht auf Russisch vor, in dem er Fragen der Identität und der Zugehörigkeit verarbeitet. Erstaunlich, wie der eher zurückhaltende junge Mann mit dem beeindruckenden Vollbart  das Publikum in seinen Bann zieht. Er ist selbst vor fast 20 Jahren als Spätaussiedler in Friedland angekommen und lebt jetzt als Musiker in Göttingen.

Anschließend groovt sich die Band Makatumbe ein, die mit Drums, Akkordeon, Klarinette, kurdischem Rap und afghanischem Tanz begeistern. Die Wände wackeln, als die Band um Edgar Wendt die Menge mitreißt. Einige Zuschauer*innen greifen selbst zu Drums und Rasseln und improvisieren mit. Makatumbe bringt Geflüchtete auf die Bühne. Gut möglich, dass wir vom Museum bald wieder mit ihnen und Alexej Orslet zusammenarbeiten. Jedenfalls hat das Fest rundum Spaß gemacht, rund 700 Besucher*innen waren da. Vielen Dank an alle, die dazu beigetragen haben!

Übrigens: Die Sonderausstellung in der Nissenhütte ist Mittwoch bis Sonntag zwischen 16.30 und 18.00 h geöffnet.

Eva Völker

Fr, 10.03.2017
Workshop in der Ausstellung|

Wir bilden uns fort

Um auf unsere Aufgabe als Guides im MUSEUM FRIEDLAND künftig noch besser vorbereitet zu sein, haben wir neulich eine weitere Fortbildung in Zusammenarbeit mit der LEB Südniedersachsen absolviert. Mittlerweile sind wir ein Team aus 15 Personen, die völlig unterschiedliche Qualifikationen mitbringen und auch altersmäßig bunt gewürfelt sind. Doch eines haben wir alle gemeinsam: die Freude daran, unseren Besucher*innen die Ausstellung im alten Bahnhof und die Aufgaben des Grenzdurchgangslagers näherzubringen.

Nachdem wir bereits im Januar an einem Workshop zur Konzeption und Rhetorik von Führungen teilnehmen konnten, haben wir uns nun mit den Herausforderungen der interkulturellen Kommunikation beschäftigt: Wie können Menschen aus unterschiedlichen Kulturräumen miteinander agieren, selbst wenn sie nicht die gleiche Sprache sprechen? Dazu hatte Trainerin Outi Arajärvi ein paar Spiele im Gepäck, in denen wir die Perspektiven gewechselt, eine fiktive Kultur kennengelernt und ohne Worte, aber mit unterschiedlichen Regeln Karten gespielt haben. Dabei sind wir schnell an unsere Grenzen gestoßen. Doch wir haben die Erfahrung gemacht, dass es möglich ist, trotz unterschiedlicher Hintergründe, Denkweisen und Ansprüche gut miteinander zu kommunizieren. Offenheit für andere Perspektiven und Neugier sind wichtige Schlüssel zu einem guten Miteinander – nicht nur für unsere Arbeit im Museum.

Am folgenden Tag standen Rhetorik-Übungen und die Verbesserung unserer Führungen auf dem Programm: Gemeinsam mit Rhetorik-Coach Christina Bode von der LEB Südniedersachsen waren wir sowohl in der Ausstellung als auch im Gelände des Grenzdurchgangslagers unterwegs, um neue Ideen zu sammeln und die jeweiligen Inhalte für unterschiedliche Besuchergruppen mal ganz anders zu präsentieren. Im Museum kann man zum Beispiel bei Erwachsenen mit Zitaten arbeiten, bei Kindern und Jugendlichen auch mal mit einem kleinen Rollenspiel. Alles in allem war es ein gelungenes Wochenende – wir werden unsere Besucher*innen weiterhin mit Elan und frischen Ideen durch das MUSEUM FRIEDLAND führen! 

Karina Lübke / Angela Steinhardt

Do, 23.02.2017
Kleine "Preview" zu unserem Angebot für Schulklassen|

Geschichts-
unterricht der anderen Art

Zuhören müssen sie in der Schule genug. Deshalb bekommen Schüler*innen im MUSEUM FRIEDLAND künftig die Gelegenheit, ihren Unterricht selbst mitzugestalten und das Klassenzimmer gegen einen Workshop in der Ausstellung zu tauschen. Los geht’s eigentlich erst im Mai, doch ein Geschichtskurs aus Hildesheim hat die Chance genutzt und neulich – quasi als „exklusive Preview“ – bereits einen Testlauf bei uns absolviert.

Die engagierten Zwölftklässler hatten sich zuvor schon mit dem Thema Flucht und Vertreibung beschäftigt und dazu eigene Interviews mit Zeitzeugen geführt. Statt der üblichen 90-minütigen Führung bekamen sie kleine Arbeitsaufträge, um sich die Themen der Ausstellung in Kleingruppen selbst zu erarbeiten. Als der Einführungsfilm verstummt war, wurde also nicht nur im ersten Raum des Museums noch eifrig diskutiert: „Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Flüchtlingen und Kriegsevakuierten?“ – „Irgendwie spannend, dass die Abläufe im Grenzdurchgangslager heute noch ganz ähnlich sind.“ - „Weil der Inhalt sich über fünf Bildschirme verteilt, muss man mehr mitdenken und sich sein eigenes Bild zusammensetzen.“ Nachdem sich jede Gruppe auf diese Weise einen Raum erarbeitet hatte, wurden die Ergebnisse anschließend beim gemeinsamen Rundgang den Mitschüler*innen präsentiert. Weil die jungen „Guides“ dabei wesentliche Aussagen auf den Punkt bringen konnten, hatte die Museumspädagogin an diesem Tag erfreulich wenig beizutragen. 

Die Motivation, sich mit der Geschichte des Grenzdurchgangslagers zu befassen, seine Funktionen zu begreifen und Gründe für die massenhaften Fluchtbewegungen am Ende des Zweiten Weltkrieges nachzuvollziehen, ist natürlich deutlich höher, je mehr Freiraum den Schüler*innen zur eigenen Recherche in den Ausstellungsräumen geboten wird. Das hat auch ihre Lehrerin dazu bewogen, trotz anstehender Abi-Klausuren in diesen Workshop einen ganzen Unterrichtstag zu investieren. Ohne Zeitdruck konnten sich die etwa 18-Jährigen im Museum nun in die zahlreichen Dokumente und Biografien vertiefen, einzelne Lebenswege verfolgen oder Parallelen zu aktuellen Fluchterfahrungen ziehen.

Ab Mai können auch andere Schulen Workshops für den Geschichtsunterricht im MUSEUM FRIEDLAND buchen, die zunächst am Lehrplan der Oberstufe bzw. der 9. und 10. Klasse anknüpfen und eng mit den Lehrer*innen abgestimmt werden. Nach und nach sollen weitere Programme für jüngere Zielgruppen, aber auch für andere Fächer folgen. Unser Ziel ist ein möglichst vielfältiges Bildungsprogramm, das sich an den Leitideen für globales Lernen und nachhaltige Entwicklung orientiert und über die Ausstellungsinhalte zahlreiche Anknüpfungspunkte zum Curriculum verschiedener Schulformen bieten kann. Wenn alles klappt, wird das Museum schon in diesem Jahr als außerschulischer Lernstandort anerkannt!

Angela Steinhardt

So, 05.02.2017
Unsere bislang größte Besuchergruppe|

100 Jugendliche aus Rosdorf und Zubri

"Für mich war der Einführungsfilm spannend, wo gezeigt wurde, wie die Menschen nach dem Krieg in ganz Europa in alle Richtungen geflohen sind - von Ost nach West, aber auch von West nach Ost." "Ich fand interessant zu hören, dass Christen und Moslems im Grenzdurchgangslager in derselben Kirche beten." Teresa, Iveta und Tabea stehen zwischen den anderen Jugendlichen im Foyer und erzählen von ihren Eindrücken nach dem Besuch der Ausstellung. Sie sind Handballerinnen, die am Jugendaustausch von Rosdorf und der tschechischen Partnergemeinde Zubri teilnehmen.

Die beiden Vereine MTV Rosdorf und HC Zubri sind sehr erfolgreich, letzterer spielt sogar in der höchsten tschechischen Liga. Vier Tage sind die 11 bis 16-jährigen Sportler*innen aus Zubri zu Gast in Südniedersachsen. Sie haben ein volles Programm. Umso mehr freut es uns, dass sie sich die Zeit nehmen für einen Besuch im MUSEUM FRIEDLAND. „Neben Handball ist natürlich auch der interkulturelle Austausch zwischen Deutschen und Tschech*innen von großer Bedeutung in der fast 50-jährigen Partnerschaft der beiden Gemeinden“, erklärt der Koordinator des Jugendaustauschs Carsten Koch. Das MUSEUM FRIEDLAND hat er als Ausflugsziel ausgesucht, weil es Inhalte vermittelt, die für die jungen Leute aus Rosdorf und Zubri relevant sind, z. B. die Teilung Deutschlands und Europas zur Zeit des Kalten Krieges, aber auch die aktuelle Situation der Menschen, die aus Ländern wie Syrien, dem Irak und Eritrea nach Europa flüchten. "Es war beeindruckend, von einer Syrerin geführt zu werden, die selbst nach Deutschland geflohen ist“, berichtet die 16-jährige Michaela aus Zubri und ergänzt: „Nachdem ich so viel über Flucht und Migration in der Ausstellung erfahren habe, weiß ich mein sicheres Leben mit meiner Familie in unserem Zuhause viel mehr zu schätzen."

Teils nachdenklich, teils ausgelassen ist die Stimmung bei den Jugendlichen nach dem Besuch im Museum und dem Gang über das Gelände des Grenzdurchganglagers. Einige machen eine Challenge: Wer kann sich am schnellsten aus dem Stand auf einen Klapphocker setzen, es gibt etliche Durchgänge, ehe die Siegerin ermittelt ist. Am Ende entscheidet der Videobeweis: Ein Mädchen hat mit ihrem Handy Aufnahmen gemacht, die den Ausschlag geben. Einige junge Leute kleben sich die bunten Museumssticker gegenseitig ins Gesicht. Andere decken sich mit den bunten Museumspostkarten ein mit Zitaten von Menschen, die im Lauf der letzten 70 Jahre nach Friedland gekommen sind. „Für mich war Friedland das Tor zu einem normalen Leben“, steht auf der Karte, die sich die 12-jährige Tabea aus Rosdorf herausgesucht hat. Sie hat von Friedland schon viel gehört: Ihr Uropa kam hierher, nachdem er aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden war.

Vor der Abfahrt stellen sich alle zum obligatorischen Gruppenfoto vor dem Museum auf, ehe es weiter geht zur nächsten Station. Am Abend werden die Jugendlichen in der Anne-Frank-Halle in Rosdorf übernachten, wo bis vor einem Jahr 200 Geflüchtete untergebracht waren. Auch hier ein direkter Bezug zu unserem Thema.

Eva Völker

So, 29.01.2017
Schüler*innen aus Hannover besuchen uns im Rahmen ihres Praktikums|

10 Tage mittendrin

Wenn man in der 10. Klasse den Auftrag bekommt, sich einen Platz für ein Schülerpraktikum zu suchen, stellt sich natürlich die Frage, wohin man gehen soll. Für uns drei - Friederike Bittner, Jan Weisig und Emma Schunke - ging die Reise ins Innenministerium. Genauer gesagt, zu dem Team, das dort für das MUSEUM FRIEDLAND verantwortlich ist. Über unsere Arbeit im Innenministerium in Hannover hinaus, hatten wir mehrmals die Möglichkeit, das Museum und das Grenzdurchgangslager  in Friedland zu besuchen. 

Zwar waren uns durch den Geschichtsunterricht bereits Grundkenntnisse z. B. zu Flucht und Migration nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben, jedoch konnten wir uns dank einer Führung durch Museumspädagogin Angela Steinhardt weiter in das Thema vertiefen.

Besonders ans Herz gegangen ist uns die Erkenntnis, dass sich innerhalb der 72 Jahre, die das Grenzdurchgangslager existiert, in unserer Welt nicht so viel verändert hat. Zwar ist Mitteleuropa von Krieg und dem daraus entstehenden Leid verschont geblieben, jedoch gehören sie in anderen Teilen der Welt zum Alltag vieler Menschen.

In unseren Augen spiegelt das Museum die Situation der Flüchtlinge von 1945 bis heute und auch etliche Einzelschicksale perfekt wider. Es gibt auch zahlreiche multimediale Installationen wie Kurzfilme oder Animationen, welche  die Ausstellung vielfältig und interessant gestalten.

Darüber hinaus konnten wir den „Museumsalltag“ im laufenden Betrieb miterleben. Unter anderem durften wir an einer Dienstbesprechung teilnehmen sowie an einem Treffen mit Frau  Dr. Staab von der Landesschulbehörde. Dabei ging es um die Frage, ob das Museum außerschulischer Lernort wird. Wir hatten auch die Chance, unsere eigenen Ideen einzubringen.

Wenn es nach uns ginge, dann wäre das MUSEUM FRIEDLAND bereits jetzt ein außerschulischer Lernort…! :) 

Emma Schunke und Friederike Bittner / Schülerpraktikantinnen beim Innenministerium

Do, 19.01.2017
Workshop des Museums Friedland|

Die Zukunft gestalten – Let’s make it!

Wenn sich montagmittags die Tür zur Nissenhütte öffnet, dann dauert es nicht lang, bis sich Bewohner*innen des Grenzdurchgangslagers Friedland neugierig um die Tische im Inneren scharen. Griffbereit liegen dort heute Pinsel, Schwämme, Farben und Papier. Und nicht nur Kinder lassen sich davon zu phantasievollen selbstgemalten Bildern inspirieren. Auch Frauen und Männer unterschiedlichen Alters bringen mithilfe von Bleistift oder Pinsel ihre Gedanken, Erinnerungen und Hoffnungen zu Papier.

Ein junger Mann erklärt mir, was die Treppe auf seinem Bild bedeutet: Er hat sich selbst auf dem Weg in die Zukunft porträtiert und weiß, dass er noch viele Stufen erklimmen muss. Rechts oben strahlt die Sonne vom blauen Himmel. Die Figur auf seinem Bild hat ihren Blick darauf gerichtet und scheint über der Treppe zu schweben. Am liebsten würde sie fliegen, sagt er.

Doch auch Sorgen drücken sich in den Bildern aus: Die kunstvolle Bleistiftzeichnung des Tischnachbarn zeigt nur eine Hälfte vom hübschen Gesicht einer Frau mit tiefschwarzen Augen – der Familienvater leidet sehr unter der Trennung von seiner Ehefrau und den drei Kindern, die momentan in den Niederlanden untergebracht sind. Er fühlt sich selbst wie halbiert. Obwohl viele der Menschen hier darunter leiden, dass sie nicht wissen, wie es für sie weitergeht, herrscht eine angenehme Stimmung im Raum. Ihre Gedanken sind überwiegend auf die Zukunft konzentriert.

Einmal im Monat bietet das Museum Friedland einen dreiteiligen Workshop an, der Barrieren abbauen und den Menschen, die nur vorübergehend im Grenzdurchgangslager untergebracht sind, das Museum nahebringen möchte. Zum Wochenanfang sind die Teilnehmer*innen völlig unterschiedlicher Herkunft dazu eingeladen, selbst aktiv zu werden und sich gestalterisch zu betätigen. Darüber kommen sie sowohl untereinander, als auch mit den Mitarbeitern des Museums ins Gespräch. Zur Wochenmitte bietet Pädagogin Samah Al Jundi-Pfaff eine Tour durch die Ausstellung an, bevor es am Samstagabend gesellig wird: Zur Musik aus dem eigenen Smartphone lädt die "Cellphone Discoteque" im Foyer Bewohner*innen und Museumsbesucher*innen zum gemeinsamen Tanzen ein.

Angela Steinhardt

Fr, 13.01.2017
Unsere erste Führung in Leichter Sprache ist gut angekommen|

Volles Haus

50 Jugendliche, junge Erwachsene und ihre Begleitpersonen vom Zentrum für Berufliche Bildung aus Hessisch Lichtenau haben unsere Ausstellung besucht. Erstmals boten Guides Führungen in Leichter Sprache an, da einige unserer Besucher*innen eine Lernbehinderung haben. Die Guides bemühten sich, komplexe Zusammenhänge an konkreten Beispielen zu erläutern. So erzählten sie einiges über die Ausstellungsstücke, die Menschen auf der Flucht bei sich getragen haben wie etwa die Stoffpuppe des Flüchtlingskindes Annelie Keil.

Offenbar haben die Führungen gut funktioniert: Die Jugendlichen lobten die Guides, weil sie so anschaulich und ansprechend erzählt hatten. Die jungen Leute zeigten sich sehr interessiert, fragten nach und brachten ihre Kenntnisse aus dem Geschichtsunterricht ein. So sagte zum Beispiel Oskar, dass er schon viel in der Schule über den Zweiten Weltkrieg gelernt habe, auch durch seine Oma habe er Interessantes dazu erfahren. Er sagte, die Ausstellung sei gut gemacht, nicht zuletzt auch wegen der Videoinstallationen. Seinem Kollegen Ben gefiel vor allem der Raum mit dem „Eisernen Vorhang“.

Für Ausbildungsleiterin Anja Maaßen war es ein gelungener Besuch, „die Ausstellung konnte Interesse wecken und für ein so wichtiges Thema wie Flucht und Migration sensibilisieren“. Besonders herzlich bedankte sie sich bei den Guides.

Eva Völker

Mi, 04.01.2017
Die Besucher*innen interessieren sich für die Geschichte Friedlands|

Museumsführung auf Arabisch

Mittwochvormittag im Museum Friedland. Meine Kollegin Samah Al Jundi führt eine Besuchergruppe durch die Dauerausstellung. Es sind Bewohner*innen aus dem benachbarten Grenzdurchgangslager. Die meisten von ihnen stammen aus Syrien, eine Frau kommt aus Eritrea, ein Mann aus dem Irak.

Besonders beeindruckt sind sie von dem Teil der Ausstellung, in dem Flucht, Vertreibung und Ausweisung infolge des Zweiten Weltkriegs und die Anfangsjahre des Lagers Friedland dargestellt sind. Salim aus dem Irak staunt über die Fotos aus der chaotischen Nachkriegszeit: „Dass solche Zustände in Europa geherrscht haben, hätte ich nicht für möglich gehalten“. Bemerkenswert findet die Gruppe die Tatsache, dass schon damals Ausweise, Registrierscheine und Flüchtlingspässe eine so große Rolle spielten. Überhaupt wird ihnen klar, wie viele Parallelen es zwischen damals und heute gibt. „An den Hauptaufgaben des Lagers Friedland hat sich nichts verändert, die ankommenden Menschen zu registrieren, sie mit Essen zu versorgen, ihnen einen Schlafplatz zu geben“, erklärt Aya aus Syrien.

Natürlich sind die Bedingungen in Friedland für die Geflüchteten heute sehr viel besser als unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch die persönlichen Schicksale der Bewohner*innen des Grenzdurchgangslagers sind erschütternd. So sorgt sich Afrah aus Eritrea um ihren Mann, von dem sie während der Flucht in Libyen vor einem halben Jahr getrennt wurde. Seither gibt es keine Spur von ihm. Doch sie hofft noch immer auf ein Lebenszeichen, erzählt die kleine zierliche Frau. Im Arm hält sie ihre neugeborene Tochter. Sie hat ihr den Namen „Nour“ gegeben, auf Deutsch bedeutet das „Licht“.

Eva Völker